Fuer immer und ledig - Roman
ich mich zurückgezogen. Ich war nach Weimar gegangen, um das Aufbaustudium zur Korrepetitorin dranzuhängen, war ein Jahr in Leipzig für einen weiteren Aufbaustudiengang gewesen, hatte Heimweh nach Hamburg bekommen und mich bei der Staatsoper beworben. Aber Rupert hatte die Hoffnung in all den Jahren nicht aufgegeben, doch noch eine Solokünstlerin aus mir zu machen.
»Wer seit so vielen Jahren einen so hartnäckigen Verehrer hat«, fing er wieder an.
»Rupert, ich weiß , dass die Blumen von dir sind«, stöhnte ich.
»Schätzchen, ich bin schwul, träum endlich von anderen Männern!«, konterte er und stand auf, um sich mit einem langen Seufzer vor Leonard Bernstein zu postieren.
»Diesmal krieg ich dich«, flötete ich und klimperte mit einer Hand etwas aus der West Side Story. »Diesmal hast du das Papier von der Blumenhandlung drangelassen.«
Rupert legte den Kopf schief und schob die Hände in die Hosentaschen. »Sehr gut. Sag mir Bescheid, wenn du seinen Namen hast. Und wann ich dich endlich wieder in den Ring schicken kann.« Er hüpfte, die Melodie mitpfeifend, davon, und ich glotzte benommen auf die Tastatur.
Bekam ich wirklich seit sechs Jahren von einem fremden Mann Blumen? Wie romantisch war das denn? Das konnte nicht sein. Rupert schwindelte mich garantiert an.
5
Im Blumenladen wussten sie nichts. Oder vielmehr: Sie sagten mir nichts. Nur, dass jedes Jahr für den 11. Mai ein Blumenstrauß für mich in Auftrag gegeben wurde. Den lieferten sie dann an Ruperts Agenturadresse, und der brachte sie anschließend zu mir. Nein, Rupert sei auf keinen Fall der Auftraggeber, es handele sich um einen anderen Herrn, der aber unbedingt anonym bleiben wolle, da ließe sich gar nichts machen.
Unzufrieden stapfte ich aus dem Laden, warf mich in die nächste U-Bahn und fuhr nach Hause. Als ich zum ersten Mal Blumen bekam, dachte ich noch, sie wären von meinem damaligen Freund (Gernot, der Physiker). Dass der damals ähnlich überrascht schien wie ich, hatte ich für eine exzellente schauspielerische Leistung gehalten. Im Jahr darauf hatte ich natürlich sofort Rupert in Verdacht, konnte mir aber keinen rechten Reim darauf machen, warum er mir ausgerechnet jedes Jahr am 11. Mai Blumen brachte. Ich kramte also tief in meinem Gedächtnis, was es mit dem 11. Mai auf sich haben könnte. 2004 hatte ich da mein Abschlusskonzert, bei dem Rupert auch im Publikum gesessen hatte, um
mich anschließend für seine Agentur zu werben. Aber wenn es nichts mit der Musik zu tun hatte, wer käme dann infrage? Vielleicht doch von Gernot? Wenn ich bedachte, wie sehr er sich gefreut hatte, mich wiederzusehen … Aber nein. Gernot war kein Typ für solche Aktionen. Ich war romantisch, aber er - weit entfernt. Also weiter nachdenken. Es war mein Abschlussjahr gewesen. Ich hatte im Grunde nichts anderes getan, als mich auf die Prüfungen vorzubereiten. Und Gernot mit meinem Hochzeitskleid zu nerven. (Du meine Güte, wie konnte ich damals bloß mit Gernot …) Und meinen nervigen Eltern aus dem Weg zu gehen. (Wir hatten damals eine Krise, weil sie fanden, ich hätte doch lieber Medizin studieren sollen, oder BWL, wie meine Schwester.) Und mit Marc in der Unicafeteria rumzualbern. (Marc war mit Abstand der bestaussehende Mann, den die Musikhochschule anzubieten hatte. Das fanden auch und besonders alle Schwulen.) Und mit der wunderbaren Tiffy abzuhängen. (Sie hatte mit mir zusammen angefangen, Klavier zu studieren. Seit dem ersten Tag klebten wir wie siamesische Zwillinge zusammen, durchlebten und durchlitten das lasterhafte Studentenleben und schleppten uns gegenseitig bis zur Abschlussprüfung. Eigentlich hieß sie Stefanie, aber als Kind hatte sie sich immer gewünscht, Tiffany zu heißen, und so war sie an ihren Spitznamen gekommen.) Und - Moment mal!
Marc?
Marc Jacobeit? Die große, tragische Liebe meines Lebens, die sich nie erfüllt hatte?
Marc war damals in der Dirigentenklasse gewesen. Ein hochbegabter, einfühlsamer Mensch, der neben seinem unverschämt guten Aussehen auch noch die nötige Portion Selbstironie mitbrachte, um nicht zum arroganten Volldeppen zu werden. Ich liebte Marc, was ich ihm natürlich nie sagte. Wozu sich lächerlich machen? Alle Frauen geiferten ihm nach, und die Männer auch. Ich war überzeugt, dass er sich dessen bewusst sein musste, und ich war noch überzeugter davon, dass er sich mit mir einzig aus Mitleid abgab. Oder weil ich ihn amüsierte. Irgendwas in der Art.
Aber wir verbrachten sehr
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