Fuer immer und ledig - Roman
Außerdem, so, wie du dir Gedanken über die Sache machst, könnte man fast denken, du hast dich verknallt.«
»Er ist schwul.«
Tiffy sprang die letzten Stufen der Strandtreppe runter und drehte sich zu mir um. »Und heißt bestimmt Kai-Uwe.«
»Oder Herbert.«
»Norbert.«
»Hartmut.«
»Wolfgang.«
»Guntram.«
»Oder er heißt wie jeder. Stefan.«
»Thorsten.«
»Thomas.«
»Michael.«
»Marc.«
Wir kicherten und dachten uns noch eine Menge Namen für ihn aus, als mir jemand auf die Schulter tippte.
»So früh am Abend schon so heiter?«
Mein Lachanfall verwandelte sich in ein krampfartiges Husten. Ich hatte mich vor Schreck verschluckt.
» Naturally high «, konterte Tiffy mit einem strahlenden Lächeln. »Ich bin übrigens Tiffy, und die Bronchitis zu meiner Rechten heißt Tilly.«
»Tiffy und Tilly? Tretet ihr zusammen auf?«, fragte er mit einem Grinsen.
»Ja. Im Zoo. Jeden Samstagnachmittag«, antwortete meine heiß geliebte Freundin, weil ich immer noch hustete. »Und wie heißt du?«
»Marc. Freut mich.« Er hielt uns die Hand hin, aber nun fing auch Tiffy an zu lachen, weil wir den Namen in unserer Liste gehabt hatten, und zusammen mit meinem Gehuste machte das wohl insgesamt keinen besonders guten Eindruck. Verwirrt zog Marc seine Hand wieder zurück und ließ uns stehen, während
wir uns gegenseitig auf den Rücken klopften und versuchten, wieder in einen etwas normaleren Gemütszustand zu rutschen. Es sollte noch eine ganze Weile dauern.
Erst später, als es schon dunkel war, Tiffy mit einer Cellistin flirtete und der Gastgeber ein garantiert illegales Lagerfeuer angezündet hatte, saß ich etwas abseits im Sand und schaute verträumt den mit einem tiefen Brummen über die schwarze Elbe treibenden Frachtern nach. Ich liebte es, wie schätzungsweise fünfundneunzig Prozent der Hamburger, den Schiffen auf der Elbe nachzusehen.
»Hat was Beruhigendes, oder?«, sagte jemand hinter mir. Ich drehte mich erschrocken um und sah Marcs vom Schein der Flammen beleuchtetes Gesicht.
»Tut mir leid, dass wir so gelacht haben«, sagte ich schnell. »Wir haben nur vorher über etwas sehr Albernes gesprochen.«
»Ach, worüber denn?«
»Ähm, na ja, das kann man jetzt gar nicht so wiedergeben …«, stotterte ich.
»Ich darf also nicht mitlachen?«
»Doch, aber…«
»Schon okay. Darf ich mich zu dir setzen?«
Ich nickte. Er setzte sich und hielt mir eine Cola hin.
»Für den Koffeinjunkie«, sagte er mit einem Lächeln.
»Wie kommst du da eigentlich drauf?«, fragte ich und nahm die Cola.
»Weil ich dich immer nur Kaffee und Cola trinken sehe.«
Und ich dachte: Sollte in meinem Leben ein Herzinfarkt für mich vorgesehen sein, dann wäre jetzt ein guter Zeitpunkt.
Aber es passierte nichts, außer dass mein Herz raste, als wäre ich dreimal hintereinander die 453 Stufen des Michel raufgejoggt. (Ich wusste zufällig, dass die St. Michaeliskirche 453 Stufen hatte, weil meine Mutter immer wieder betonte, dass sie während meiner Schwangerschaft zu Fuß hatte runtergehen müssen. Der Fahrstuhl war wohl ausgefallen, kurz nachdem sie zur Aussichtsplattform raufgefahren war.)
»Gute Beobachtungsgabe«, sagte ich nach einer halben Ewigkeit zu ihm.
»Du bist die einzige klassische Pianistin, die ich bisher gesehen habe, die konsequent Docs trägt. Außer bei 35 Grad.«
Wir sahen beide auf meine quietschgelben Flipflops, und ich schämte mich ein bisschen für den hellblauen Nagellack auf meinen Zehen.
»Ja, das mit der Kleiderordnung hab ich noch nicht so raus«, nuschelte ich und traute mich nicht zu fragen, woher er wusste, dass ich Klavier studierte. Andererseits wusste ich ja auch, dass er in der Dirigentenklasse war. Irgendwie wusste man wohl nach einer Weile einfach, wer wohin gehörte.
Es gab vieles, das ich mich im folgenden Jahr nicht zu fragen traute. Wir trafen uns von diesem Abend an
fast jeden Tag, manchmal nur auf einen Schwatz in der Cafeteria, manchmal für einen ganzen Abend und eine halbe Nacht, und doch sprachen wir nie über uns. Manchmal bildete ich mir ein, dass unsere Unterhaltung in ernste Gewässer abdriftete, und weil ich davon überzeugt war, dass ein schöner und intelligenter und charmanter und wunderbarer Mann wie Marc jemanden wie mich höchstens als gute Freundin haben wollte, der man alles erzählen konnte und die gutmütig genug war, immer für ihn da zu sein, achtete ich peinlich genau darauf, dass wir niemals zu ernst sprachen. Denn den Vortrag
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