Fuer immer vielleicht
Gestank . Es riecht, als würde irgendwo eine Leiche verwesen. Der Muff sitzt in den Möbeln, in den Wänden und inzwischen natürlich auch in meinen Klamotten. Insgesamt gibt es sechzig Zimmer, zwanzig auf jedem Stockwerk. Beanie hat mir stolz erklärt, dass die Hälfte davon sogar ein Bad hat. Du kannst dir vorstellen, wie ich mich darüber gefreut habe. Ich dachte, ich sollte am besten gleich alle TV-Stationen und Radiosender anrufen und für diesen einmaligen Service Reklame machen: Ein paar Zimmer haben tatsächlich ein Bad !
Zwei nette Frauen, Betty und Joyce – beide ungefähr hundert –, machen dreimal pro Woche die Zimmer sauber, was ich ehrlich gesagt ziemlich grenzwertig finde. Und wenn man bedenkt, wie langsam sie sich bewegen, würde es mich überraschen, wenn jedes Mal alle Zimmer an die Reihe kommen.
Ich hab mich auch gefragt, welche Kundschaft ein solches Hotel frequentiert, aber als ich meine erste Spätschicht hatte, wurde es mir schlagartig klar. Wenn der Club im Kellergeschoss zumacht, geht die Party einfach oben weiter. Das hat mich umso mehr motiviert, auf die Einstellung zusätzlicher Zimmermädchen zu dringen.
Das Grand Tower Hotel ist alles andere als luxuriös, und ich bin alles andere als die wunderbare Gastgeberin meiner Träume, die ihre Gäste im Paradies empfängt. Wenn jemand Schokolade auf dem Kopfkissen findet, dann höchstens, weil der vorherige Gast sie draufgespuckt hat. Der einzige Grund, aus dem jemand eine Duschhaube aufsetzen würde, wäre, um den Kopf vor dem gelben Wasser zu schützen, das aus der Leitung trieft.
Letzte Woche hat ein Radiosender angerufen, um anzufragen, ob das Grand Tower Hotel bei einem Gewinnspiel mitmachen möchte – entweder konnten die nicht genug Teilnehmer auftreiben, oder der schicke Name hat sie in die Irre geführt. Mir ist keine Ausrede eingefallen, also hab ich zugesagt. Es ging darum, dass die Leute einen Text einschicken sollten, in dem sie begründen, warum gerade sie es ganz besonders verdient haben, sich mal so richtig verwöhnen zu lassen. Dem Gewinner winkten ein Theaterabend, ein Einkaufsbummel und zwei Übernachtungen mit Frühstück in einem zentral gelegenen Hotel. Natürlich war es toll, dass die ganze Woche über im Radio für uns Werbung gemacht wurde, und wir haben auch ein paar zusätzliche Gäste gekriegt – die natürlich keine Ahnung hatten, wie es hier wirklich aussieht.
Als ich die Gewinnergeschichte im Radio hörte, hab ich fast geweint und gleich die Flitterwochensuite herrichten lassen. Die unterscheidet sich zwar in nichts von den anderen Zimmern, aber ich hab Beanie überredet, wenigstens ein entsprechendes Schild an die Tür zu hängen. Eine Stunde lang hat er mit schwarzem Filzstift und der Zunge zwischen den Zähnen hingebungsvoll gemalt, und ich hab echt mein Bestes gegeben, um das Zimmer aufzumotzen und neben Blumen und Sekt aus meinem Budget noch neue Bettwäsche gepresst – aber allzu viel war eben nicht zu machen.
Als die Leute erfuhren, dass sie gewonnen hatten, waren sie so aufgeregt, dass sie jeden Tag beim Hotel anriefen und tausend Fragen stellten, um sich zu vergewissern, dass auch bestimmt kein Irrtum vorlag. Aber als sie dann durch die Tür kamen, war die Enttäuschung groß – und nach einer Viertelstunde suchten sie das Weite.
Ruby, diese Leute hatten ihr Zuhause verloren, der Mann war arbeitslos und hatte sich beide Beine gebrochen. Und obwohl sie keinen Cent für ein Wochenende in diesem Hotel bezahlen mussten, wollten sie nicht dableiben! Das gibt dir einen ungefähren Eindruck davon, wie schauderhaft das Grand Tower Hotel ist.
Rosie: Ruby?
Rosie: Ruby, bist du noch da?
Rosie: Hallo? Ruby, hast du das alles mitgekriegt?
Ruby: Zzzzzzzzzzzzzzzz.
Rosie: Ruby!
Ruby: Was denn? Hab ich was verpasst? Tut mir Leid, ich muss wohl eingeschlafen sein, als du anfingst, von deinem Job zu erzählen.
Rosie: Tut mir Leid, Ruby, aber ich hab dich gewarnt.
Ruby: Keine Sorge, ich hab mir nur zwischendurch eine Tasse Kaffee gekocht und bin rechtzeitig zurückgekommen, um alles über die olivgrünen Wände und verwesenden Leichen zu erfahren.
Rosie: Tut mir Leid, aber es ist echt herb.
Ruby: Nicht alle Jobs sind so, wie man sie sich vorgestellt hat. Aber sag mal ehrlich – was wärst du lieber, Sekretärin bei Randy Andy Paperclip & Co. oder Direktionsassistentin beim Grand Tower Hotel?
Rosie: Oh, ganz sicher Direktionsassistentin beim Grand Tower Hotel.
Ruby: Na, da haben wir’s doch mal
Weitere Kostenlose Bücher