Fuer immer vielleicht
für das Geschenk, das du Katie geschickt hast. Deine Patentochter sagt, sie vermisst dich schrecklich, und sie grüßt und küsst dich mit viel Gesabber und Geschlabber. Jedenfalls glaube ich, dass das der tiefere Sinn des Geheuls ist, das aus ihrem winzigen Mündchen quillt. Ehrlich, ich weiß nicht, wie sie so einen Lärm zustande bringt. Sie sieht so klein und zerbrechlich aus, dass ich manchmal Angst habe, sie auf den Arm zu nehmen, aber wenn sie den Mund aufsperrt, ist echt die Hölle los. Der Arzt meint, sie hat Koliken. Keine Ahnung. Ich krieg nur mit, dass sie schreit wie am Spieß. Es ist echt erstaunlich, wie geruchsintensiv so ein Winzling ist. Ich glaube, sie sollte als der stinkigste und ohrenbetäubendste Zwerg ins Guinnessbuch der Rekorde aufgenommen werden. Da würde mein Mutterherz vor Stolz schwellen.
Ich bin so was von kaputt, Stephanie. Ich fühle mich wie ein Zombie. Ich kann kaum lesen, was ich hier schreibe (entschuldige bitte den Bananenmatsch oben auf der Seite). Katie schreit und schreit, die ganze Nacht. Ich habe ständig Kopfweh. Ab und zu eiere ich wie ein Roboter durchs Haus und sammle Teddybären und anderes Spielzeug auf. Zu was anderem komm ich nicht. Es ist schwierig, Katie irgendwo mit hinzunehmen, weil sie immer schreit. Wahrscheinlich denken die Leute, ich will sie kidnappen oder ich bin einfach nur eine schreckliche Mutter.
Außerdem sehe ich immer noch aus wie ein Ballon. Aber ich laufe auch nur in extrem vorteilhaften Jogginganzügen rum. Mein Hintern ist total unförmig, mein Bauch überzogen von Schwangerschaftsstreifen; meine bauchfreien Tops hab ich komplett entsorgt, meine Haare sind das reinste Stroh. Dafür hab ich einen GIGANTISCHEN Busen. Ich seh nicht aus wie ich. Ich fühle mich nicht wie ich. Ich komme mir mindestens zwanzig Jahre älter vor. Seit der Taufe bin ich nicht mehr weg gewesen. Keine Ahnung, wann ich das letzte Mal im Pub war. Keine Ahnung, wann mich das letzte Mal ein Angehöriger des anderen Geschlechts auch nur angeschaut hat. (Außer denen natürlich, die mich wütend anglotzen, wenn Katie im Café zu krakeelen anfängt.) Keine Ahnung, wann mich das alles mal gejuckt hat. Ich glaube, ich bin die schlechteste Mutter der Welt. Ich glaube, wenn Katie mich ansieht, ist ihr klar, dass ich überhaupt keinen Plan habe.
Inzwischen kann sie beinahe laufen, was bedeutet, dass ich hinter ihr herrenne und kreische: »NEIN KATIE NEIN! Katie, fass das nicht an. NEIN! Katie, Mummy hat NEIN gesagt!« Ich glaube nicht, dass sich Katie dafür interessiert, was ihre Mummy gesagt hat. Wenn Katie was sieht, was sie will, geht sie darauflos. Punkt. Mir graut jetzt schon davor, wie es wird, wenn sie in die Pubertät kommt! Unglaublich, dass sie schon ein Jahr alt ist. Schwupps ist sie erwachsen und aus dem Haus. Vielleicht hab ich dann ein bisschen Ruhe.
Aber das haben Mum und Dad wahrscheinlich auch gedacht. Die Armen! Ich hab ein echt schlechtes Gewissen, Steph. Sie sind klasse, die beiden. Ich schulde ihnen eine ganze Menge, und das meine ich nicht nur finanziell. Obwohl das auch ein deprimierendes Thema ist. Ich kriege zwar Sozialhilfe und alles und gebe Mum und Dad jede Woche, so viel ich kann. Aber es reicht trotzdem hinten und vorne nicht, du kennst ja die Situation, Steph – es ist einfach total knapp. Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, wie ich jemals hier ausziehen und arbeiten und mich um Katie kümmern soll. Dad und ich gehen nächste Woche zum Amt, ob die mir vielleicht eine Wohnung beschaffen können. Mum sagt ständig, dass ich doch ruhig weiter bei ihr und Dad wohnen kann, aber ich weiß, Dad will mir helfen, dass ich mich ein bisschen unabhängiger fühle.
Mum ist echt super. Katie liebt sie heiß und innig. Und hört sogar auf sie. Wenn Mum »Nein, Katie« sagt, dann ist sofort Schluss. Wie gesagt, bei mir lacht sie bloß und macht einfach weiter.
Alex hat in Boston übrigens ein Mädchen kennen gelernt. Sie ist genauso alt wie ich und studiert in Harvard. Ob die wohl wirklich glücklich ist? Ich muss jetzt Schluss machen, Katie heult nach mir. Schreib bald.
Alles Liebe,
deine Rosie
*
Liebe Rosie,
ich freue mich, dass mit Katie alles gut läuft; die Fotos von ihrem dritten Geburtstag sind wirklich schön. Ich hab sie gerahmt, und jetzt haben sie einen Ehrenplatz an der Wand. Mum und Dad haben sich wahnsinnig darüber gefreut, dass sie dich bei ihrem Besuch in Dublin gesehen haben. Sie erzählen ständig von dir und Katie. Wir sind alle
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