Fuer immer zwischen Schatten und Licht
Körper geflossen war. Rasmus beobachtete mich ganz genau, um sich keine Regung in meinem Gesicht entgehen zu lassen. „Nein, doch nicht wie mir“, widersprach ich getroffen. „Natürlich nicht! Ich nehme an, dass sie dir Schmerzen zufügen will – dich so lange quälen, bis du dir sehnlich wünschst, wieder unverwundbar zu sein!“
„Ja?“, fragte Rasmus gedehnt. Er hatte sich erstaunlich schnell von seinem Schock erholt, so als wäre das alles ohnehin nicht von Bedeutung. „Um ehrlich zu sein, sehe ich da keinen großen Unterschied. Warum machst du dir also überhaupt die Mühe, mich hier rauszuholen? Wenn sie mich zwingt, das Angebot der Richter anzunehmen, sind doch alle Probleme gelöst: Serafina bekommt ihren Willen, wir müssen uns nicht alleine mit dem Abaddon herumschlagen, und du hast keinen Grund mehr, dich schuldig zu fühlen. Man könnte fast behaupten, es sei … eine Win-win-Situation.“
In diesem Moment machte ich eine seltsame Entdeckung: Egal, wie viel Angst ich hatte, egal, wie gefährlich und hoffnungslos meine Situation war – Rasmus brachte es trotzdem fertig, mich auf die Palme zu bringen. „Das habe ich doch nur so gesagt “, erwiderte ich mit einem Zischen. Es strömte über meine Lippen, noch bevor ich in der Lage war, einen klaren Gedanken zu fassen. Meine Selbstbeherrschung stürzte einfach in sich zusammen und ließ ein Chaos von Gefühlen zurück, das unaufhaltsam aus mir herausdrängte. „Irgendwie musste ich doch deine verflixte Sturheit überwinden, damit du dich nicht weiter quälen lässt. Aber es ist mir so, so schwer gefallen, dass du es dir gar nicht vorstellen kannst!“, schleuderte ich Rasmus entgegen. Am Ende des Satzes hatte ich vergessen, meine Stimme zu dämpfen, und sie hallte in dem Heizkörper direkt hinter uns nach.
Jetzt veränderte sich Rasmus‘ Miene. „Aber wieso ist es dir …“, begann er und brach dann ab. Seine Augen kniffen sich noch etwas mehr zusammen.
Auf einmal erfüllte mich eine unbändige, völlig deplatzierte, funkensprühende Wut, von der ich nicht genau wusste, wer oder was ihr eigentliches Ziel war. „Weil“, sagte ich scharf, „ich keine Lust habe, zukünftig im Englischunterricht zu sitzen, ohne deinen Blick wie ein Kribbeln im Nacken zu spüren. Weil du mein Peinlichkeitsbarometer bist, das aber niemals ausschlägt, egal, was ich verbocke … Weil du es schaffst, mich zum Lachen zu bringen, obwohl ich gerade noch im Erdboden versinken wollte. Weil ich es dir unbedingt erzählen muss, wenn mir ein Buch gut gefällt oder mich aufregt, und weil du verdammt nochmal der Einzige bist, der sich über Mr. Darcy lustig machen darf, so ist das!“
Nach diesem Redeschwall trommelte mein Herz gegen meine Rippen, und ich hatte das Gefühl, als wäre ich soeben einen Marathon gelaufen.
Rasmus beugte sich ein Stück zu mir vor. „Hey, Lily?“, fragte er mit blitzenden Augen, und im Gegensatz zu meinem hysterischen Gestammel klang es ganz ruhig. „Sag mal … hat sich da drin irgendwo das L-Wort versteckt?“
„Ja, allerdings!“, fauchte ich ihn an. „Ich liebe dich, du unglaublich nerviger … nervtötender … nerviger Kerl!“
Und dann schien meine Wut in einem Feuerwerk zu explodieren. Ich warf mich in Rasmus Arme, krachte gegen seinen Brustkorb, und es hätte eigentlich wehtun müssen – doch ich fühlte nichts als seine Hände, die mich auffingen. Die Taschenlampe fiel herunter und sandte wilde Lichtblitze über den Fußboden, bevor sie erlosch. Trotz der Dunkelheit fand Rasmus meinen Mund sofort. Ich drängte mich an ihn, ballte meine Fäuste in seinem Nacken und spürte seidenweiche Haarsträhnen zwischen meinen Fingern. Zu Anfang küssten wir uns wie unter Schock, die Lippen aufeinandergepresst, sein Körper so eng an meinem, dass ich kaum wusste, welcher rasende Puls zu mir gehörte und welcher zu ihm. Nur ganz allmählich wurden unsere Berührungen sanfter. Rasmus‘ Zunge glitt heiß über meine, und während ich mich in seine Arme schmiegte, durchzitterte mich immer wieder derselbe Gedanke: Ich hatte es ihm gesagt, ich hatte es ihm endlich gesagt – auch wenn es nicht die elegante Liebeserklärung gewesen war, die ich mir ausgemalt hatte.
Natürlich erriet Rasmus, was in mir vorging. Kaum hatte er sich von mir gelöst, lauerte ihm schon wieder unübersehbar der Schalk im Nacken. „Okay, ich glaube, das müssen wir noch üben“, spottete er ein bisschen außer Atem.
Obwohl ich mich immer noch fühlte wie in
Weitere Kostenlose Bücher