Fürchte dich nicht!
Asphalt klackerten.
Geis hatte gehofft, dass ihn die Sonderkommission noch eine Weile in Ruhe lassen würde. Eine Illusion, wie er sich mit einem Seufzer eingestand. Aber wenigstens hatten sie Schöning geschickt und nicht irgendeinen karrieregeilen Frischling.
Die Hauptkommissarin blieb vor ihm stehen und begutachtete ihn von oben bis unten. »Du siehst gut aus.«
»Und du hast schon mal besser gelogen.«
»Dafür, dass du knapp am Tod vorbeigeschrammt bist. Eichkorn soll dir eine hochdosierte Ladung verpasst haben.«
»Ich kann mich nicht so genau erinnern«, blieb Geis bei der Wahrheit. »Das meiste habe ich verschlafen.«
Schöning probierte ein Lächeln. »Wir haben dir viel zu verdanken, Martin.«
Er zuckte mit den Schultern. »Ich wollte nicht den Helden spielen. Es hat sich so ergeben.«
»Du hast verdammtes Pech gehabt. Zuerst erwischst du mit Bischoff den Falschen und dann war ich nicht zu erreichen. An dem Nachmittag war ich mit meinem Mann in einem Konzert. Zum ersten Mal seit Wochen hatte ich mein Handy ausgeschaltet.«
»Shit happens.« Ein Windstoß wirbelte den Bademantel hoch. Geis wurde bewusst, dass er darunter nur eine kurze Schlafanzughose trug, aber er hatte keine Lust, mit Schöning in die Cafeteria zu gehen. Die vielen Kranken und Siechen deprimierten ihn. »Wie seid ihr auf Bischoff gekommen?«
»Auf Umwegen. Nach dem Konzert habe ich versucht, dich zu erreichen. Als dein Handy auch am nächsten Tag noch abgeschaltet war, habe ich den letzten Anruf orten lassen. So sind wir auf die Kirche in Thedasfehn gestoßen. Die Spurensicherung erbrachte den Beweis, dass sich Eichkorn dort aufgehalten hatte. Anschließend haben wir den ganzen Ort auf den Kopf gestellt und sein Versteck gefunden. Dummerweise hatte er sich bereits mit einem Teil seiner Anhänger und mit dir als Geisel abgesetzt. Nach Norderney, wie wir jetzt wissen.«
»Wie konnte das passieren? Ich dachte, vor dem Gipfel wird das Meer rund um die Insel überwacht.«
»Dachte ich auch. Möglicherweise hatte Eichkorn einen Komplizen bei der Küstenwache. Das prüfen wir noch.«
»Bischoff«, erinnerte Geis.
»Das lief parallel. Die Auswertung deiner Handydaten brachte ans Licht, dass du eine Stunde vor deinem letzten Anruf zwei Nummern im münsterschen Präsidium angewählt hast, meine und die von Bischoff. Und Bischoff war definitiv an seinem Arbeitsplatz.«
»Was sagt er dazu?«
»Nichts. Er schweigt.«
»Hatte er mal FSME?«
»Nein. Die Ärzte sagen, er ist clean.«
Geis kniff die Augen zusammen. »Das ergibt doch keinen Sinn.«
Schöning schaute über Geis’ Schulter zum Eingang. »Was hältst du von einem Kaffee?«
»Schmeckt scheußlich.«
Sie nickte. »Wir checken Bischoffs Umfeld. Bis jetzt haben wir nicht viel entdeckt. Auffällig ist lediglich, dass er häufig mit einer Nummer in Berlin telefoniert hat. Der Apparat steht im Bundesinnenministerium, in einem Raum, der derzeit nicht genutzt wird.«
»Bundesinnenministerium?«, wiederholte Geis skeptisch.
»Die Sache stinkt zum Himmel, ich weiß.«
»Ihr solltet den Gipfel absagen.«
»Zu spät. In zehn Tagen geht’s los. Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren. Den Gipfel jetzt abzusagen, wäre der Super-GAU.«
»Möglicherweise gibt es unentdeckte Helfer von Eichkorn auf Norderney. Die könnten auf eigene Faust handeln.«
»Sie hätten keine Chance. Die Hotels und Konferenzräume sind mindestens so gut gesichert wie die Goldreserve der Bundesbank. Niemand kommt da rein oder raus, der keine Genehmigung hat. Das gesamte Personal wird ständig auf Herz und Nieren und vor allem auf FSME getestet. Und von Zecken halten wir die Gipfelteilnehmer fern.« Schöning schüttelte ihre Locken. »Die meisten von Eichkorns Jüngern haben übrigens eingewilligt, sich behandeln zu lassen. Mit diesem Mittel, das die Persönlichkeitsveränderung rückgängig macht.«
»Was geschieht jetzt mit ihnen?«
»Diejenigen, die sich strafrechtlich nichts haben zuschulden kommen lassen, stehen unter ständiger ärztlicher Aufsicht. Und die anderen, wie Saskia Fischer und Garrelt Thedinga, die mit einem Strafverfahren rechnen müssen, sind in einem gesicherten Gebäude hier in der Nähe untergebracht. Sollte es zu Prozessen kommen, könnte es allerdings sein, dass geschickte Anwälte behaupten, ihre Mandanten wären durch die Krankheit nur eingeschränkt zurechnungsfähig gewesen.«
»Heißt das, sie kommen bald frei?«
»Wir leben in einem Rechtsstaat, Martin. Wir können
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