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Fuerchte nicht das tiefe blaue Meer

Fuerchte nicht das tiefe blaue Meer

Titel: Fuerchte nicht das tiefe blaue Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: April Genevieve Tucholke
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krassem Kontrast zu ihrem schmalen Körper stehenden Schmollmund, der wie der Mund eines süßen Babys aussah. Wie der von Sunshine. »Wir alle sehen von Zeit zu Zeit Dinge, die nicht existieren. Als ich in deinem Alter war, habe ich so für Sturmhöhe geschwärmt, dass ich mir einbildete, Heathcliff würde wirklich existieren, und mir vornahm, ihn zu finden. Damals wohnte ich noch in Cambridge. Also fuhr ich mit dem Bus nach Yorkshire und irrte stundenlang durchs Moor, um Heathcliffs nach mir rufendem Schatten zu folgen, oder dem, was ich dafür hielt, bis ich mich schließlich müde, durchgefroren und beschämt in einem Dorfpub wiederfand.«
    Sunshine warf mir über die Schulter ihrer Mutter einen Blick zu. Sie war immer noch wütend. Unglaublich wütend. Und das beunruhigte mich.
    »Ich werde mit River sprechen«, sagte ich.

Sechstes Kapitel
    Ich klopfte an die Tür des Gästehauses. Luke öffnete und runzelte unwillig die Stirn, als er mich sah, trat dann aber einen Schritt zur Seite, um mich hereinzulassen. Mir wehte Kaffeeduft entgegen – ein Aroma aus Karamell, Schokolade, schwarzer Erde und morgendlicher Behaglichkeit. Auf dem Herd dampfte eine große Espressokanne. Sie stammte von den italienischen Künstlerfreunden meiner Eltern und erinnerte mich in ihrer Form immer an eine gedrungene Frau in einem silbernen Kleid, die eine Hand in die Hüfte stemmt. Ich war überrascht, dass River wusste, wie man sie benutzte.
    »Ich war drüben in Citizen Kane und hab mir ein bisschen Espresso von euch geborgt«, sagte River.
    Ich stellte mir vor, wie er einfach so unsere Küchenschränke nach Kaffee durchstöberte, und stellte fest, dass mich die Vorstellung nicht störte. Im Gegenteil. »Woher hast du gewusst, wie die Kanne funktioniert?«, fragte ich. »Warst du schon mal in Italien?«
    River lächelte. »Ich habe als Kind ein paar Jahre bei einer Tante in Neapel gelebt, in einem winzigen Apartment mitten in der Altstadt.«
    »Wirklich?« Ich hatte schon immer mal nach Italien reisen wollen. »Sag etwas auf Italienisch.«
    »Io non parlo italiano.« Er zwinkerte mir zu. »Das heißt, ich spreche kein Italienisch.«
    »So viel habe ich gerade noch verstanden. Aber das glaube ich dir nicht. Wenn du ein paar Jahre dort gelebt hast, müsstest du die Sprache doch eigentlich ziemlich gut können. Sag irgendetwas anderes.«
    »Wie geht es Sunshine?«, fragte er stattdessen. »Alles okay mit ihr?«
    »Nicht wirklich.« Ich hätte River gern weiter über Italien ausgefragt, aber das kleine Lächeln um seine Mundwinkel und das übermütige Leuchten in den Augen, gaben mir fast das Gefühl, als wollte er, dass ich ihn weiter ausfragte, nur damit er erneut ausweichen konnte.
    Sein Blick machte mich nervös. »Hast du im Tunnel auch einen Mann gesehen, River? Sunshine sagt, Blue hätte am Boden gekauert und vor ihm lag ein kleines Kind. Hast du die beiden auch gesehen?«
    River nahm seelenruhig drei Espressotassen vom Regal, wischte sie mit dem Geschirrtuch aus, auf dem das Lamm eingestickt war, und füllte sie mit dem cremig-braunen Kaffee. Zwei der Tassen stellte er vor Luke und mich hin, eine vor sich selbst.
    »Nein«, antwortete er, nachdem er einen Schluck von seinem Espresso getrunken hatte. »Ich habe nichts gesehen. Wir sind durch den dunklen Tunnel gegangen, und plötzlich fing Sunshine an zu schreien, rannte nach draußen, und ich bin ihr hinterhergelaufen.« Er stellte die Tasse ab. »Sie glaubt also, sie hätte Blue gesehen, ja? Anscheinend hat sie eine verdammt blühende Fantasie.«
    »Genau das finde ich so seltsam daran.« Ich nahm einen Schluck von meinem Espresso. Er war stark und heiß und schmeckte köstlich. »Sunshine hat keine Fantasie, jedenfalls keine blühende . Sie glaubt nicht an Geister oder Monster, auch nicht an Feen. Sie liest noch nicht einmal gerne. Wenn, dann glaubt sie an reale Horrorszenarien, wie an die globale Erwärmung oder Serienkiller, aber nicht an urbane Mythen oder Kreaturen mit pelzigen Zähnen.«
    »Pelzige Zähne?«, fragte Luke. »Was soll das denn sein?«
    »Das hat sie gesagt. Der Mann, den sie gesehen hat, hatte Zähne, die voller feiner Haare waren, als hätte er gerade irgendein pelziges Tier gefressen. So ein Detail kann Sunshine sich nicht ausgedacht haben, und deswegen bin ich mir sicher, dass sie in diesem Tunnel irgendetwas gesehen hat. Wir müssen zurück und uns selbst ein Bild machen. Wenn da wirklich irgendein Verrückter drin ist, müssen wir ihn finden und Hilfe

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