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Fuerchte nicht das tiefe blaue Meer

Fuerchte nicht das tiefe blaue Meer

Titel: Fuerchte nicht das tiefe blaue Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: April Genevieve Tucholke
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Sachen mit weißen Schals. Ihr Mund war von feinen Fältchen umgeben und auf ihren Handrücken zeichneten sich dicke blaue Adern ab. Sunshines Vater Sam hatte einen Zottelbart und trug meistens Cordhosen. Seine Augen hatten den gleichen schläfrigen Ausdruck wie die seiner Tochter.
    Die beiden kamen sofort nach Hause. Sunshine war noch im Bad, deshalb erzählte ich ihnen, was passiert war. Davor hatte ich einmal kurz nach ihr geschaut, aber sie lag auf dem Boden, hatte die Wange an die kalten weißen Fliesen gepresst, die langen Haare wie eine braune Stola um sich herum ausgebreitet und sagte, dass sie sich wieder übergeben müsse, wenn sie aufstünde, also ließ ich sie weiter dort liegen.
    Nachdem ich ihren Eltern erzählt hatte, dass Sunshine im Tunnel Blue gesehen hatte, machte Cassie eine Kanne Tee und Sam starrte eine Weile ratlos und ein bisschen verloren vor sich hin, was irgendwie gut zu ihm passte.
    »Du weißt, dass an der Geschichte nichts dran ist, Violet, oder?«, sagte er schließlich. »Blue war nichts weiter als ein trauriger, verwirrter Mann, und die Kinder, die er angeblich entführt hatte, kehrten eine Woche später in die Stadt zurück. Sie hatten gerade Tom Sawyer in der Schule gelesen und waren deshalb auf die Idee gekommen, von zu Hause abzuhauen.« Er rieb sich mit Daumen und Zeigefinger den Nasenrücken. Zwar trug er keine Brille, aber ich hatte den Eindruck, er hätte gern eine gehabt. »Sie hatten sich im Wald versteckt«, fuhr er fort. »Nachdem sie sich acht Tage lang von wilden Beeren und Erdnussbutter-Sandwichs ernährt hatten, kehrten sie ausgehungert und verdreckt zurück und waren völlig überrascht von dem Wirbel, den sie ausgelöst hatten. Blue verschwand – das stimmt –, aber er wurde in einer psychiatrischen Anstalt oben im Norden untergebracht. Das Ganze ist mittlerweile dreißig Jahre her, ich war damals vielleicht vierzehn oder fünfzehn. Ehrlich gesagt, bin ich erstaunt, dass sich die Gerüchte über ihn bis heute gehalten haben.«
    Ich nickte erst, dann schüttelte ich den Kopf. »Aber Sunshine hat nicht gelogen. Sie hat etwas gesehen. Sie hat geschrien und geschrien. Es war … entsetzlich.«
    »Was ist mit diesem Jungen, mit dem sie im Tunnel war? Hat er auch etwas gesehen?« Cassie hielt mir einen Teller mit Gurken-Sandwichs hin. Die Toastscheiben waren hauchdünn und sie hatte die Kruste abgeschnitten. Sunshines Mom war in England aufgewachsen und deshalb überzeugt davon, Gurken-Sandwichs und Tee könnten alle Probleme lösen. Manchmal stimmte das sogar.
    Cassie nahm sich selbst ein Sandwich, hielt es mit spitz abstehendem Ellbogen zwischen Daumen und Zeigefinger und knabberte daran.
    »Gute Frage«, sagte Sam. Sein schmales Gesicht wirkte noch schmaler, wenn er die Brauen hochzog. »Dieser Junge, der in euer Gästehaus gezogen ist – hat er dort im Tunnel auch einen Mann gesehen?«
    Ich öffnete den Mund, schloss ihn aber gleich wieder. Vor lauter Sorge um Sunshine hatte ich glatt vergessen, River zu fragen, ob er Blue auch gesehen hatte. Ich betrachtete das dünne, dreieckige Gurken-Sandwich in meiner Hand. Je mehr Zeit verging, desto mehr verlor der Tunnel-Albtraum seinen Schrecken, wie Albträume es so an sich haben, und Sunshines Geschichte klang immer absurder.
    »Ich weiß es nicht«, gestand ich. »Das muss ich ihn erst fragen.«
    Die Badezimmertür ging auf und Sunshine trat in die Küche. Sie war immer noch blass und ihre Haare klebten ihr im verschwitzten Gesicht. Der Blick ihrer braunen Augen war nicht wie sonst schläfrig und leicht gelangweilt, sondern frustriert und aggressiv. Zwei Gefühlsregungen, die ich noch nie zuvor an ihr gesehen hatte. Sie war kein besonders … leidenschaftliches Mädchen. Jedenfalls nicht auf diese Art.
    Sam breitete die Arme aus und zog seine Tochter an sich. »Ich habe schon immer geahnt, dass eine blühende Fantasie in dir schlummert, Sunshine, und wusste, dass sie früher oder später zum Vorschein kommen würde, auch wenn sie heute seltsame Auswüchse gezeigt hat.« Er schmunzelte. »Violet hat euch die Legende von Blue erzählt, und du bist kurz darauf in den Tunnel gelaufen und hast dir prompt eingebildet, ihn zu sehen. Aber an der Geschichte ist nichts dran, Sunshine. Und das weißt du auch, nicht wahr? Das weißt du.«
    Sunshine schwieg.
    »Ist schon okay, Sunny.« Cassie schlang einen langen, dünnen Arm um die Taille ihrer Tochter, drückte sie fest an sich und lächelte. Sie hatte einen sehr sinnlichen, in

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