Fürchtet euch
während ich draußen nach ihr gesucht hatte, aber ich wusste, dem war nicht so. Ich ging in die Küche, stand dann da an der Arbeitsplatte und verschränkte die Arme und schaute hinaus über den Hof zur Straße, als würde ich glauben, ich könnte sie vielleicht kommen sehen. Aber sie würde nicht kommen, egal, wie lange ich schaute. Ich hatte ein Telefon an der Wand neben der Tür, und ich stand da und starrte auf den Apparat und überlegte, was ich tun sollte. Ich überlegte, den Sheriff anzurufen, aber ich wusste nicht, was ich ihm sagen sollte, und ich hatte auf keinen Fall vor, bei Ben vorbeizufahren und Ärger auszulösen, falls Julie da war.
Nein, Addie
, dachte ich,
du kannst nichts anderes tun als beten
, und genau das tat ich dann auch. Ich ging ins Schlafzimmer und fiel vor dem Bett auf die Knie, und ich faltete die Hände und rief den Herrn an. Ich kann zwar nicht mehr sagen, wofür ich betete, und ich kann nicht mehr genau sagen, wie ich den Herrn bat, mein Gebet zu erhören, aber ich kann auf jeden Fall sagen, dass ich noch nie in meinem Leben so inständig für etwas gebetet habe.
Ich blieb so vor dem Bett knien, auch dann noch, als ich spürte, wie die Dunkelheit mich umhüllte und der Wind heulte und dicke, schwere Regentropfen über mir aufs Dach fielen.
Als ich die Augen öffnete, war es stockfinster in meinem Schlafzimmer, und ich merkte, dass ich mich irgendwann aufs Bett gelegt und die Steppdecke über mich gezogen hatte. Ich lag ein Weilchen so da und lauschte dem prasselnden Regen und fragte mich, wie lange ich wohl geschlafen hatte, und dann hörte ich ein fürchterliches Pochen an der Tür, und da wusste ich, dass das Pochen mich geweckt hatte.
Ich strampelte die Decke von mir runter und stellte die Füße auf den Boden und sah, dass ich noch die Schuhe anhatte. Ich ging zur Lampe und knipste sie an und lauschte. Wer immer da an der Haustür war, er musste gesehen haben, dass das Licht angegangen war, denn das Pochen wurde noch lauter. Ich ging ins Wohnzimmer und zog den Vorhang am Fenster neben der Tür ein Stück beiseite und sah, dass Ben Halls Pick-up mitten im Garten auf dem Gras stand. Er war über die Einfahrt hinausgeschossen und hatte dabei eine ganze Menge Dreck hochgeschleudert.
»Machen Sie die Tür auf, Miss Lyle«, hörte ich ihn im tosenden Wind brüllen. Ich schaltete das Außenlicht ein und schaute wieder zum Fenster hinaus, konnte ihn aber nicht sehen. Ich legte die Türkette vor und schloss die Tür auf, drehte den Knauf und öffnete nur einen Spalt. Sofort drückte er gegen die Tür, um reinzukommen, aber wegen der Kette ging die Tür nicht weit genug auf.
»Wo ist Julie?«, fragte er.
»Sie ist nicht da«, sagte ich. »Ich weiß nicht, wo sie ist.« Er schob einen Arm durch den Spalt und versuchte, die Kette auszuhaken, und ich schlug ihm auf die Hand und versuchte, den Arm wieder nach draußen zu schieben.
»Hör auf damit, Ben«, sagte ich. »Ich lass dich nicht rein.« Er zog den Arm heraus und drückte das Gesicht so nah an den Türspalt, dass ich seine Alkoholfahne riechen konnte, und da wusste ich, dass er betrunken war.
»Wo steckt sie?«, fragte er.
»Ich habe doch schon gesagt, ich weiß es nicht«, erwiderte ich. Er versuchte wieder den Arm durchzuschieben, um an die Kette zu kommen, aber ich schloss die Tür und quetschte ihm die Hand, ehe er sie richtig hindurchgeschoben hatte. Er schrie auf und zog sie wieder raus. Ich öffnete die Tür erneut ein wenig und sah ihn an. »Ich ruf den Sheriff«, sagte ich. »Du bist betrunken, Ben. Fahr wieder nach Hause. Du kannst morgen mit Julie sprechen, wenn sie dich sehen will.«
»Sagen Sie ihr, dass ich Bescheid weiß«, sagte er. »Sagen Sie ihr, dass ich weiß, was sie gemacht hat. Ich weiß, was passiert ist.«
»Fahr nach Hause, Ben«, sagte ich. Er stand einfach da, als wollte er jeden Moment kehrtmachen, und dann auf einmal warf er sich mit der Schulter so fest gegen die Tür, dass ich schon fürchtete, er hätte sie aus den Angeln gerissen.
»Hör auf!«, schrie ich. »Sonst ruf ich den Sheriff!« Er beruhigte sich gleich wieder, und dann kam er noch einmal mit dem Gesicht ganz nah an den Spalt und sah mich an.
»Sagen Sie ihr, ich bring ihn um«, sagte er.
»Das kannst du ihr morgen selbst sagen«, entgegnete ich. »Fahr jetzt nach Hause. Ich rufe sonst den Sheriff. Ich meine es ernst.« Ich machte die Tür zu und schloss ab, und dann ging ich wieder ans Fenster und sah hinaus in den Regen. Ich
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