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Fürchtet euch

Fürchtet euch

Titel: Fürchtet euch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wiley Cash
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Shorts und Socken aus und warf alles auf den Boden. Dann zog ich die Decke wieder über mich und drehte mich auf die Seite und schaute zum Fenster raus. Es hatte aufgehört zu regnen, aber der Mond war noch nicht durch die Wolken gekommen. Die Nacht draußen war stockfinster.
    Mein Daddy parkte den Pick-up vor dem Haus, und ich hörte, wie er den Motor ausstellte, und dann hörte ich, wie er die Fahrertür auf- und wieder zumachte, und ich hörte seine Stiefel die Verandastufen hochkommen. Es klang, als würde er versuchen, die Haustür so leise er konnte zu öffnen, aber ich wusste, dass sie trotzdem quietschen würde. Seine Stiefel gingen durch die Küche, und ich hörte sie auf den Splittern von der zerbrochenen Flasche knirschen. Er ging über den Flur ins Bad, und ich hörte, dass er den Klodeckel hochklappte. Gleich darauf hörte ich ihn pinkeln. Ich schloss die Augen und dachte, dass ich gar keine Angst mehr allein zu Hause hatte, und ich wurde wütend auf Daddy, weil er mich allein gelassen hatte, weil ich wusste, dass Mama das niemals tun würde. Ich lag da und überlegte, wo er wohl gewesen war, und dann hörte ich ihn den Flur hochkommen. Er blieb vor meiner Tür stehen, als würde er lauschen, ob ich noch wach war.
    Der Knauf drehte sich ganz langsam, und die Tür gab so gut wie keinen Ton von sich, als sie aufging, aber ich sah das kleine bisschen Licht vom Flur ins Schlafzimmer fallen und aufs Fenster scheinen, und ich lag auf der Seite so still ich konnte, mit dem Rücken zur Tür. Daddy stand in der Tür, und ich konnte ihn atmen hören.
    »Jess«, flüsterte er.
    Ich sagte nichts, hatte die Augen geschlossen und tat so, als würde ich schlafen.
    »Jess«, flüsterte er wieder. »Schläfst du?«
    Ich sagte noch immer nichts, aber ich lauschte auf seinen Atem, und ich wusste, dass er noch dastand und mich betrachtete. Dann hörte ich, dass er die Tür genauso leise wieder schloss, wie er sie geöffnet hatte. Es kam kein Licht mehr aus dem Flur, und mein Zimmer war wieder so dunkel wie vorher.
    Mein Daddy ging zurück in die Küche, und ich hörte, wie er die Flasche von der Arbeitsplatte nahm und den Verschluss abschraubte, und dann hörte ich, wie er sie wieder hinstellte. Er öffnete und schloss den Schrank, und dann drehte er den Wasserhahn auf und zu. Ich hörte, wie er wieder die Flasche nahm. Ich drehte mich auf die andere Seite, und ich konnte ein bisschen Licht aus der Küche unter meiner Tür sehen. Ich stellte mir vor, wie Daddy da an der Arbeitsplatte lehnte und aus der Flasche trank und sich den Mund mit dem Handrücken abwischte. Ich lag im Bett und lauschte auf ihn in der Küche, und dann hörte ich etwas ganz Leises und überlegte, was das sein könnte. Ich hielt den Atem an und lauschte, und auf einmal wusste ich, was es war: Daddy fegte mit Besen und Kehrblech die kleinen Glassplitter vom Boden.

21
    Adelaide Lyle
    Auf der Rückfahrt von dem Treffen mit Chambliss saß mir noch immer die nackte Angst im Nacken. Obwohl der Regen jetzt gegen die Windschutzscheibe prasselte, konnte ich nichts anderes hören als das Klappern in meinem Kopf, das Geräusch, das aus der Tiefe der Kiste gekommen war, als Chambliss meine Hand hineingehalten hatte, und das von den Wänden der leeren Kirche widergehallt war. Der dumpfe Geruch steckte mir noch in der Kleidung wie Tabakrauch, und die weiche Haut an der Unterseite von meinem Arm prickelte noch immer vor Angst, von den Giftzähnen gebissen zu werden. Ich betete zu Gott, dass ich Julie bei mir zu Hause antreffen würde.
    Aber ich weiß, wie ein leeres Haus aussieht, und ich weiß, dass man es fast fühlen kann, wenn man es sieht. Schon als ich von der Straße abbog, wusste ich, dass sie nicht da sein würde, was mich aber nicht davon abhielt, im Haus von Zimmer zu Zimmer zu gehen und ihren Namen zu rufen. Ich trat wieder nach draußen in den Regen und hinters Haus und rief weiter nach ihr, und da sah ich auf einmal, wie dunkel der Himmel geworden war. Ich stand da draußen im Garten und spürte, wie der Wind stärker wurde, und ich hörte, wie der Donner weit hinten über dem Berg grollte. Die Luft hatte sich ganz plötzlich verändert, und ich kam mir seltsam vor da draußen so ganz allein, wo es so dunkel wurde und der böige Wind die Äste der Bäume bog und die Blätter abriss. Es kam mir unheimlich vor, als würde jeden Moment etwas geschehen, worauf ich nicht gefasst war.
    Ich ging zurück ins Haus in der Hoffnung, dass sie wiedergekommen war,

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