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Fürchtet euch

Fürchtet euch

Titel: Fürchtet euch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wiley Cash
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mich zu wecken, und als dann die Fliegentür aufging, hörte ich seine Stimme im Haus, aber sie klang, als wäre er ganz weit weg von meinem Zimmer. »Verdammt«, sagte er, als er an meinem Zimmer vorbei zurück in sein und Mamas Schlafzimmer rannte. »Bleib im Bett, Jess!«, brüllte er. »Verdammt«, sagte er noch einmal.
    Ich lag da unter der Decke und lauschte, ob er noch was sagen würde, aber er sagte nichts. Ich konnte ihn in dem hinteren Schlafzimmer hören, wie er die Kommodenschubladen auf der Suche nach irgendwas öffnete und zuknallte, als würde er sie kurz und klein schlagen.
    »Wer ist denn gekommen?«, rief ich unter der Decke hervor.
    »Bleib, wo du bist«, sagte er nur.
    Ich hörte ihn wieder auf dem Flur vorbeilaufen, und es klang, als würde er Sachen fallen lassen, die dann über den Boden rollten. Ich hob die Bettdecke vom Kopf, sah zur Zimmerdecke und lauschte, und dann hörte ich ihn die Fliegentür aufstoßen und die Stufen runter in den Hof laufen. Die Tür knallte hinter ihm zu. Ich konnte ihn da draußen irgendwas brüllen hören, und ich konnte hören, wie jemand zurückschrie. Dann hörte ich einen Schuss.
    Ich riss die Decke von mir runter und setzte mich im Bett auf, aber ich hörte nichts mehr, und ich fragte mich, ob ich das alles bloß im Traum gehört hatte.
    »Daddy!«, schrie ich. Ich wartete, dass er irgendwas sagte.
    Es war still draußen, und ich saß da, hellwach, und lausch- te. Das Herz pochte mir gegen die Brust, und ich konnte es auch in den Ohren hören. Dann hörte ich wieder einen Schuss.
    Ich sprang in der Unterhose aus dem Bett und lief auf den Flur, aber ich trat auf irgendwas, das mir unter dem Fuß wegrollte, und ich fiel hin und landete auf dem Rücken und schlug mit dem Kopf auf dem Boden auf. Ich schaute mich um und sah die Patronen für die Schrotflinte von meinem Daddy überall im Flur herumliegen.
    Ich sprang auf und lief zur Fliegentür und stieß sie auf. Und dann hörte ich noch einen Schuss, und ich sah, wie mein Daddy vor dem alten Auto von irgendwem auf die Erde fiel. Der Sheriff stand neben seinem Polizeiwagen und hielt seine Pistole vor sich, und mein Daddy lag einfach da auf dem Schotter. Blut spritzte aus seinem Hals auf die Motorhaube von dem Wagen und machte sie ganz rot. Der Sheriff sah mich und brüllte irgendwas, aber weil ich so laut schrie, konnte ich ihn nicht verstehen. Er steckte seine Pistole ins Holster und kam hinter der offenen Tür von seinem Wagen hervor und lief durch den Schotter die Einfahrt hoch. Er blieb auf der anderen Seite von dem alten Auto stehen, wo jemand hinter der offenen Tür auf der Erde saß. Er beugte sich runter und sagte etwas, und dann lief er die Stufen zur Veranda hoch, wo ich stand. Er schlang die Arme um mich, als wollte er mich umarmen, aber ich wollte das nicht, weil ich wusste, dass er auf meinen Daddy geschossen hatte. Ich wehrte mich, aber er hielt mich noch fester, und ich konnte mich nicht von ihm losreißen. Meine Unterhose war nass, und ich wusste, dass ich mich vollgepinkelt hatte.
    »Ganz ruhig, Kleiner«, sagte der Sheriff. »Ganz ruhig, ja? Komm, wir gehen rein.«
    »Daddy!«, schrie ich.
    »Ganz ruhig«, sagte er wieder.
    »Warum haben Sie auf meinen Daddy geschossen?!«
    »Komm, wir gehen rein.« Ich hörte Sirenen von der Straße näher kommen, und ich wehrte mich wieder, aber er ließ mich noch immer nicht los. Irgendwer schrie da draußen auf der Einfahrt, und ich dachte, dass es fast so klang wie meine Mama.

24
    Clem Barefield
    Als ich um die Kurve vor Ben Halls Haus bog, sah ich, dass er schon von der Veranda gekommen war und oben an der Einfahrt Stellung bezogen hatte, vor Chambliss’ altem Wagen, demselben Wagen, an dem ich ihn am Vortag in der Scheune hatte herumbasteln sehen. Ben trug ein altes weißes T-Shirt und eine Boxershorts, und er hielt seine doppelläufige Schrotflinte in Augenhöhe und zielte auf die Windschutzscheibe von Chambliss’ Wagen. Er war wie erstarrt, als könnte er für alle Zeit so dastehen, und ich ließ einmal kurz meine Sirene aufheulen, um ihn auf mich aufmerksam zu machen. Er hob den Kopf gerade so weit, um über das Dach von Chambliss’ Wagen blicken zu können, und er sah zu, wie ich langsam die Einfahrt hoch auf ihn zurollte.
    Auch Chambliss hatte anscheinend meine Sirene gehört, denn er hatte den Rückwärtsgang eingelegt, und ich hörte seine Reifen auf dem Schotter knirschen, als er rückwärts von Ben weg auf mich zufuhr. Er hatte den Arm über

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