Fürchtet euch
ich wusste, dass er den Bach füllen und die ganzen Krebse hochschwemmen würde. Im Kopf sang ich ein Lied, das Mama mir und Stump beigebracht hatte, als wir klein waren.
Es regnet, Gott segnet,
die Erde wird nass.
Bunt werden Blumen,
und grün wird das Gras.
Und dann war ich auch schon in der Einfahrt und lief auf unser Haus zu, und das Wasser rann in kleinen Bächen durch den Schotter, und ich wusste, wenn ich am nächs- ten Morgen nach draußen kommen würde, würde ich ein paar schöne Quarzsteine finden, die der Regen hochgespült hatte. Irgendwo hinter mir hörte ich Donner krachen, aber ich war ja fast zu Hause, und es machte mir kein bisschen Angst.
Als ich näher kam, sah ich jemanden im Hof neben dem Haus, aber es war so dunkel geworden, dass ich nicht erkennen konnte, wer das war. Der Pick-up von meinem Daddy stand vor der Veranda, deshalb schätzte ich, dass er es war. Als ich auf dem Hof war, sah ich, dass mein Daddy sich mit dem Fallrohr abmühte, aus dem das Wasser auf die Regentonne schoss. Es regnete so fest, dass ich das Gefühl hatte, ihn durch ein altes Fliegenfenster zu sehen, und ich ging weiter über den Hof zum Haus und beobachtete ihn und fragte mich, ob ich irgendwas sagen sollte. Der Regen war laut, aber ich konnte hören, wie mein Daddy mit sich selbst redete und versuchte, das verbogene Rohr wieder zu reparieren. Seine Füße rutschten auf dem Gras weg, und er musste sich am oberen Rand der Regentonne festhalten, um nicht hinzufallen. Ich hatte zu viel Angst, was zu sagen, weil ich nicht wollte, dass er mich fragte, was passiert war. Dann blickte er auf und sah mich dastehen.
»Wo hast du gesteckt?«, fragte er, aber bei dem lauten Regen hatte ich ihn nicht genau verstehen können. Ich sah ihn an, und dann sah ich auf das verbogene Fallrohr. Er hörte auf, sich damit abzumühen, und machte einen Schritt auf mich zu, und dann verlor er das Gleichgewicht und fiel fast hin. Er packte die Regentonne und richtete sich auf und kam wieder auf mich zu. Als er bei mir war, sah ich, dass seine Sachen genauso klatschnass waren wie meine. »Wo hast du gesteckt?«, fragte er wieder.
»Ich bin nach der Schule zu Joe Bill«, sagte ich.
Er starrte mich an, und ich sah, dass seine Augen aussahen, als hätte er lange nicht geschlafen. Es sah aus, als könnte er mich nicht mal anschauen, so müde war er. Er zeigte hinter sich auf die Regentonne.
»Was ist da passiert?«, fragte er. Er wartete auf eine Antwort, aber ich stand bloß da, ohne etwas zu sagen.
Er beugte sich nach vorn, und ich konnte seinen Atem riechen, der wie der von Grandpa roch, als er da draußen am Lagerfeuer auf dem Berghang gelacht hatte. Daddy beug- te sich vor, bis er mit mir auf Augenhöhe war, und er stützte die Hände auf die Knie, aber eine rutschte ab, weil seine Hose so nass war. »Was ist mit der Regentonne passiert?«, fragte er mich ganz langsam und laut, als würde er den- ken, ich könnte ihn nicht hören. »Wie ist die kaputtgegangen?«
Ich sah von ihm weg, dahin, wo der Bach durch den Wald floss, und ich dachte, wie schnell jetzt wohl die Strömung war von dem ganzen Regen. Meine Brust fühlte sich an, als würde jemand draufstehen. Daddy streckte eine Hand aus und packte mein Hemd.
»Was ist mit der Tonne passiert?«, schrie er.
Ich schaute ihn wieder an, und ich sah sein Gesicht dicht vor meinem. Seine Augen sahen wild und furchtbar aus. Der Geruch von seinem Atem war das Einzige, woran ich denken konnte, und ich fing an zu weinen.
»Stump ist hingefallen«, sagte ich schließlich.
»Was soll das heißen, ›Stump ist hingefallen‹?«, fragte er. Er riss an meinem Hemd und zog mich zu sich. Ich legte die Hände auf seine Schultern, um nicht wegzurutschen. Ich konnte ihn nicht mal ansehen, weil ich Angst hatte, es ihm zu sagen.
»Er ist hingefallen«, sagte ich. »Er hat oben draufgestanden und ist hingefallen.«
Daddy ließ mein Hemd los und trat zurück, und dann drehte er sich um und blickte zur Regentonne. Ich konnte mir denken, dass er auf das Fallrohr blickte, da, wo es verbogen und abgebrochen war.
»Wieso ist er überhaupt da draufgeklettert?«
»Weil wir euch gehört haben«, sagte ich. Er drehte sich um und sah mich an.
»Was?«
»Ich hab gedacht, wir hätten dich und Mama drinnen gehört«, sagte ich. »Aber ich weiß, dass wir nicht rumspionieren sollen, und Mama hatte uns ja extra zum Bach geschickt und gesagt, wir sollten erst zurückkommen, wenn wir fünf Salamander gefangen
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