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Fürchtet euch

Fürchtet euch

Titel: Fürchtet euch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wiley Cash
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erwiderte ich. »Ein paar Telefonate, und ich hatte im Nu Ihre Spur zurück nach Toccoa verfolgt. Ich hatte bloß bis jetzt nie einen Grund, durchblicken zu lassen, dass ich Bescheid weiß. Aber wie gesagt, ich kann verstehen, dass Sie Schlangen mögen. Sie häuten sich, Männer häuten sich. Haut wächst nach, manchmal wird sie auch verpflanzt.«
    »Ich habe meine Strafe dafür abgesessen«, sagte er. »Ich weiß gar nicht, warum Sie überhaupt davon anfangen. Das spielt für mein Leben hier überhaupt keine Rolle.«
    »Vielleicht, vielleicht auch nicht. Aber es ist schon komisch, was man so alles über Leute erfährt, wenn ein kleiner Junge stirbt. Es ist komisch, dass Leute plötzlich über Sachen reden, über die sie seit Jahren nicht geredet haben.«
    »Worauf wollen Sie hinaus?«, fragte er.
    »Sagt Ihnen der Name Molly Jameson was?«
    »Damit hatte ich nichts zu tun«, erwiderte er.
    »Nichts, weshalb ich Sie einbuchten könnte. Zumindest noch nicht. Aber diese andere Sache, dieser kleine Junge, das ist was ganz anderes. Das ist etwas, was man nicht einfach in einen Garten legen und vergessen kann. Das muss irgendwelche Konsequenzen haben.« Das mit dem Wackelkontakt in der Glühbirne stimmte anscheinend, denn das Licht fing an zu flackern, und gleich darauf konnte ich in der Scheune kaum noch was sehen. »Was dagegen, wenn wir draußen weiterreden?«, fragte ich.
    »Überhaupt nicht«, sagte er. »Aber ich muss Sie darauf hinweisen, dass ich heute Abend mit einem unserer Mitglieder in der Kirche verabredet bin.«
    »Es dauert nicht lange«, sagte ich. »Versprochen.«

    Ich ging hinaus in das Licht auf dem Hof, und er folgte mir. Die Gewitterwolken kamen näher, und der Himmel hatte sich dunkel zugezogen, obwohl es noch einige Stunden hell sein würde.
    »Die Tage werden kürzer«, sagte ich. »Irgendwie vergesse ich jedes Jahr, dass es so kommen wird, und jedes Jahr überrascht es mich.«
    »Ich weiß, dass Sie nicht hergekommen sind, um mit mir übers Wetter zu reden, Sheriff.« Chambliss wischte sich mit einem Lappen die Hände ab. Ich sah, wie er ihn zwischen den Fingern durchzog.
    »Ich weiß, dass Sie das wissen«, erwiderte ich. »Und wissen Sie, was? Es hat mich nie die Bohne interessiert, was ihr da in eurer Kirche so treibt. Ich habe mir nie ein Urteil darüber erlaubt, wie ihr eure Gottesdienste abhaltet, egal, was mir so alles zu Ohren gekommen ist. Aber das hier ist etwas anderes. Irgendwas ist am Sonntagabend in Ihrer Kirche passiert, und ich muss rausfinden, was.«
    »Was passiert denn an Sonntagen in
Ihrer
Kirche, Sheriff?«
    »Mr Chambliss, ich habe seit rund fünfundzwanzig Jahren keinen Fuß mehr in eine Kirche gesetzt, und solche Geschichten wie die hier bestätigen mich darin, dass das eine verdammt gute Entscheidung war.«
    Chambliss lachte auf und wischte weiter an seinen Händen herum, als könnte er sie nicht sauber genug kriegen.
    »Ein paar von den Leuten, mit denen ich gesprochen habe, denken offenbar, dass ihr da so eine Art Heilung versucht habt«, sagte ich.
    »Wenn ich wüsste, mit wem Sie alles gesprochen haben, könnte ich Ihnen vielleicht sagen, was von deren Meinung zu halten ist.«
    »Nein, ich werde Ihnen nicht sagen, mit wem ich gesprochen habe, falls Sie darauf spekulieren.«
    »Sie wissen, dass Adelaide Lyle nicht mehr ganz bei Trost ist«, sagte er. »Auf das, was so eine alte Frau erzählt, ist doch kein Verlass.«
    »Aber genug Verlass, um ihr die Kinder der Gemeinde anzuvertrauen, was? Soweit ich weiß, ist unter ihrer Aufsicht noch keins gestorben. Der Junge hatte einen Bluterguss so groß wie ein Fußball auf dem Gesäß. Sie haben wohl nicht zufällig eine Erklärung dafür, oder?«
    »Leider nein«, sagte er. »Jungs in dem Alter holen sich ständig irgendwelche blauen Flecke.«
    »Das stimmt«, sagte ich. Ich drehte mich zu meinem Wagen um, als hätte ich vor, mich zu verabschieden. Ich machte sogar einen Schritt darauf zu, doch dann wandte ich mich wieder zu Chambliss um.
    »Fast hätte ich’s vergessen«, sagte ich. »Haben Sie schon mal von was gehört, das sich Petechien nennt?«
    »Nein«, das Wort habe ich noch nie gehört.« Ich schob die Hände in die Taschen und blickte nach unten auf den Schotter.
    »Macht nichts«, sagte ich. »Das geht den meisten Leuten so.« Ich sah wieder zu ihm hoch. »Und ich gebe zu, dass ich es auch noch nie gehört hatte, bis es vor gut fünfzehn Jahren auf einem Obduktionsbericht auftauchte.« Ich machte einen Schritt auf

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