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Fundort Jannowitzbrücke

Fundort Jannowitzbrücke

Titel: Fundort Jannowitzbrücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holtkötter
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schnell einen Meter zurück, dann richtete sie sich auf, ging zurück bis zum Küchenschrank und atmete einige Male durch. Mit ausgestrecktem Arm hielt sie die Waffe auf ihr Opfer. Ihr wurde klar, daß sie gewonnen hatte. Sie wurde wieder völlig ruhig, sie hatte es geschafft.
    »Du wirst nun sterben«, sagte sie.
    Sie prüfte kurz, ob die Waffe noch entsichert war, dann fixierte sie ihr Opfer.
    »Doch vorher wirst du leiden. Vor deinem Tod wirst du das gleiche Leid erfahren, das du Bettina zugefügt hast. Jede einzelne Sekunde, jeden erbärmlichen Moment.«
    Wink starrte sie mit schreckensbleichem Gesicht an. In seinen Augen war nichts Menschliches mehr, dachte sie kühl. Sein Atem ging stoßweise, sein Blick flackerte, der ganze Kopf begann zu zittern. Es war nichts mehr von ihm zu sehen. Nichts als sein Trieb, irgendwie am Leben zu bleiben.
    »Aber ich wollte sie nicht umbringen«, stieß er hervor. Speichel lief ihm aus dem Mund und mischte sich mit dem Blut, das über das Gesicht rann. Seine Stimme war die eines Kindes. »Ich wollte sie doch überhaupt nicht umbringen«, wimmerte er wieder und wieder.
    Barbara betrachtete ihn voller Abscheu. Es ist, als würde ich eine Schabe zertreten, dachte sie. Sie zögerte keinen Augenblick mehr.
    »Paß gut auf«, fauchte sie. »Als erstes werde ich deine Eier wegschießen.«
    Er heulte auf und verkrampfte sich auf dem Boden vor ihr.
    »Danach hast du knappe drei Minuten«, sagte sie kühl. »Drei Minuten, in denen du vor Schmerzen wahnsinnig zu werden glaubst. Dann schieße ich dir das Hirn weg.«
    Der Mann war nur noch ein zuckender Berg aus Blut und Dreck. Er stieß quiekende Laute aus, Rotz lief ihm aus der Nase. Es war erbärmlich. In ihr regte sich nichts. Sie hob die Waffe. Ihre Hand war völlig ruhig. Mit sicherem Blick zielte sie auf sein Gemächt. Da erst bemerkte sie den Schatten, der hinter dem Vorhang hervortrat.
    »Barbara ! Schießen Sie nicht!« Es war die Stimme von Michael Schöne.
    Sie geriet nur für einen kurzen Augenblick aus der Fassung. Hektisch wechselte sie mit dem Lauf zwischen dem Kommissar und ihrem Opfer. Doch dann beruhigte sie sich wieder. Sie mußte Schöne einfach ignorieren. Unbeirrt zielte sie auf Tobias Wink.
    »Verschwinden Sie«, sagte sie zu Schöne, ohne aufzusehen. »Dies ist nicht Ihr Schlachtfeld.«
    Er trat einen Schritt näher. »Das Ihre ist es auch nicht, Barbara.«
    Sie stieß den Atem aus. »Bleiben Sie stehen! Sonst schieße ich.«
    Er hielt augenblicklich inne. In seiner Hand sah sie den Lauf seiner Dienstwaffe. Er richtete ihn auf den Boden. Es spielt keine Rolle, daß er gekommen ist, dachte sie. Sie hatte das Spiel in der Hand. Was danach kommen würde, das interessierte sie nicht. Sollte er sie ruhig mitnehmen, wenn es soweit war.
    »Barbara«, sagte Schöne eindringlich. »Nehmen Sie die Waffe herunter. Sie werfen sonst Ihr Leben weg. Glauben Sie mir, das ist es nicht wert. Das kann es gar nicht wert sein.«
    Sie spürte Wut in sich aufsteigen. »Was denn für ein Leben?« rief sie. »Meinen Sie das meinige? Ich habe kein Leben mehr, solange dieses Monster nicht tot ist.«
    Sie betrachtete voller Ekel das zuckende Stück Fleisch, das vor ihr auf dem Boden lag.
    »Ich muß es zertreten«, flüsterte sie. »Erst dann hat Bettina ihren Frieden gefunden.«
    Sie konzentrierte sich wieder auf ihr Ziel, der Kommissar verschwand langsam im Hintergrund. Ihr Opfer hielt sich die Hände schützend zwischen die Beine. Es spielt keine Rolle, dachte sie. Die Kugel würde auch durch seine Hände hindurchdringen.
    Der Kommissar begann zu sprechen, doch seine Stimme drang nur noch schwach zu ihr durch.
    »Es geht hier nicht um Bettina«, sagte er. »Es geht um Sie. Sie wollen Ihren Frieden finden. Sie wollen die Geister vertreiben, die Sie in der Nacht heimsuchen.«
    Was wußte er schon von ihren Geistern, dachte sie ärgerlich. Er sollte endlich ruhig sein.
    »Fragen Sie sich, woher diese Geister kommen«, fuhr er fort. »Fragen Sie sich, weshalb Sie nachts nicht schlafen können.«
    Er trat einen Schritt auf sie zu. Noch einen Zentimeter, dachte Barbara, dann würde sie auch ihn abknallen. Es gab für sie keinen Ausweg und sie würde auch vor Michael Schöne nicht zurückschrecken.
    »Es ist nicht die Rache, die Sie nachts umtreibt, Barbara. Es ist das schreckliche Unrecht, das geschehen ist. Aber dieses Unrecht läßt sich nicht durch ein neues Unrecht aus der Welt schaffen. Das Gleichgewicht wird dadurch nur weiter

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