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Fundort Jannowitzbrücke

Fundort Jannowitzbrücke

Titel: Fundort Jannowitzbrücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holtkötter
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Beobachtungsraum stehen.
    Die beiden Kollegen standen bereits am Ende des Flurs am Fenster und zündeten sich eine Zigarette an. Wolfgang saß noch immer am Vernehmungstisch und sortierte seine Unterlagen. Als Michael den Raum betrat und seinem Chef zunickte, trat Leben in Tobias Winks aschfahles Gesicht.
    Der Kommissar versuchte ihn zu ignorieren. Sollen sich nun andere mit ihm beschäftigen, dachte er. Sein Job war es glücklicherweise nicht. Er beugte sich vor und flüsterte Wolfgang ins Ohr: »Barbara Nowack ist okay. Die Ärzte sagen, daß sie eventuell morgen schon vernehmungsfähig sein könnte.«
    »Und ihre Schußverletzung?« fragte Wolfgang.
    »Sie hat Glück gehabt. Die Kugel ist durch die Hand hindurchgegangen. Sie hätte mehr anrichten können.«
    Sein Chef nickte. Er sieht müde aus, dachte Michael. Unwillkürlich fragte er sich, wieviel Schlaf er in der letzten Woche bekommen haben mochte. Er wünschte ihm, daß Wink bald gestand und sie alle nach Hause und ins Bett gehen konnten.
    Für Michael selbst war Feierabend. Er würde seinen Bericht am Montagmorgen schreiben. Jetzt mußte er nur noch seine Sachen zusammenpacken und nach Hause fahren.
    »Wir sehen uns Montag«, sagte er und verabschiedete sich.
    Er war noch nicht an der Tür, als sich Tobias Wink nervös in seinem Stuhl aufrichtete.
    »Warum haben Sie das getan?« rief er ihm nach.
    Michael blieb stehen und drehte sich zu ihm um. Das Gesicht des jungen Mannes nahm wieder den unschuldigen und verletzlichen Ausdruck an, der ihm bereits bei ihrer ersten Begegnung aufgefallen war.
    »Sie haben mir das Leben gerettet«, fuhr er fort. »Warum nur haben Sie das getan? Es wäre besser gewesen, wenn sie mich umgebracht hätte.«
    Michael spürte, wie sich seine Brust verhärtete. Er würde nicht auf Winks Selbstmitleid eingehen. Er würde überhaupt nicht auf ihn eingehen, sagte er sich. Er wollte nur noch alles Notwendige hinter sich bringen und nach Hause gehen.
    Michael wußte bereits, was er ihm sagen würde. Es war wie ein Mantra, er mußte es immerzu wiederholen, in der Hoffnung, eines Tages selbst daran zu glauben.
    »Durch einen Mord werden keine Probleme gelöst«, sagte er reserviert. »Es entstehen nur neue.«
    Wink nickte und lehnte sich zurück. »Das stimmt«, sagte er. »Es ist gut, daß die Zeit des Tötens vorbei ist.« Dann begann er zu lächeln. »Es ist gut, daß Sie mich gefaßt haben.«
    Michael spürte Widerwillen in sich aufsteigen. Am liebsten wäre er aus dem Vernehmungsraum gelaufen. Er hatte Feierabend. Es gab keinen Grund, sich das anzutun.
    Doch er spürte, daß er Wink noch etwas sagen mußte. Er trat einen Schritt vor und stützte sich mit den Händen auf der Tischplatte ab. Plötzlich schien es ganz einfach zu sein.
    »Wenn ich ehrlich bin, ist es mir schwergefallen, dich nicht selbst abzuknallen«, flüsterte er wütend.
    Das Lächeln auf dem Gesicht des Jungen verschwand sofort.
    »Aber Sie haben ihr gesagt, daß ...«, begann er.
    »Wenn Barbara Nowack geschossen hätte, dann hätte sie in den Knast gemußt. Deshalb habe ich dich gerettet. Sie wäre in den Knast gegangen, weil du Stück Scheiße ihr Leben und das Leben ihrer Familie ruiniert hast.«
    In seinem Kopf schwirrten die Erklärungsmodelle umher, die Hintergründe von Serientaten, die ganze Verzweiflung, die lange vor dem Verbrechen stand. Doch sie ergaben keinen Sinn, und er wollte nicht mehr darauf achten. Seine Wut war inzwischen eine andere.
    »Mich interessiert nicht, was deine Eltern dir angetan haben«, sagte Michael. »Und mich interessiert dein ganzes beschissenes Leben nicht.«
    Er spürte, wie er zu zittern begann. Es war nicht nur Wut, die ihn plötzlich trieb. Es war ein Gefühl von Hilflosigkeit, das ihn mit einer schnellen Bewegung über den Tisch greifen ließ. Er packte Wink am Kragen und zog ihn mit einem brutalen Griff zu sich heran. Michael hörte den Stuhl auf das Linoleum stürzen. Dann sah er in Winks erschrockene Augen.
    »Du bist erwachsen«, flüsterte er. »Und du weißt genau, was du tust.«
    Wink stieß einen würgenden Laut hervor, doch Michael achtete nicht darauf.
    »Du allein hast beschlossen, deine innere Leere mit Gewalt auszufüllen.« Er zog ihn näher an sich heran. »Du hast beschlossen, dir die Mädchen gefügig zu machen, die nicht freiwillig kommen wollten. Und du hast beschlossen, deine Defizite durch Macht zu überdecken. Durch das beschissene und flüchtige Machtgefühl, das dir das Morden verschafft. Das alles

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