Funke, Cornelia
freilassen, sobald die
Hochzeit vorbei ist.«
»Für
seinen Bruder wird das zu spät sein.«
»Es ist
schon jetzt zu spät für ihn. Er ist ein Goyl.«
Der Zwerg
kam mit ihrem Frühstück zurück. Draußen wurde es hell und die Nacht hatte die
Dunlde Fee mit sich genommen. Zeit, sich zurückzuholen, was ihr Zauber ihr
gestohlen hatte. Wer wollte Frieden, wenn man siegen konnte?
49
EINER VON IHNEN
Will
versuchte, nicht zuzuhören. Er war der Schatten des Königs und Schatten waren
taub und stumm. Doch Hentzau sprach so laut, dass man ihn nur schwer überhören
konnte.
»Ohne die
Fee kann ich Euch nicht schützen. Die zusätzlichen Truppen, die ich
angefordert habe, können nicht vor heute Nacht hier sein, und die Kaiserin weiß
das!«
Kami'en
knöpfte sich die Jacke zu: kein Frack für den Bräutigam, nur die dunkelgraue
Uniform. Seine zweite Haut. Darin hatte er sie geschlagen. Darin würde er eine
von ihnen heiraten. Der erste Goyl, der eine Menschenfrau nahm.
»Eure
Majestät. Es sieht ihr nicht ähnlich, ohne ein Wort zu verschwinden!« Aus
Hentzaus Stimme klang etwas, das Will dort noch nie gehört hatte. Angst.
»Im
Gegenteil. Es sieht ihr sehr ähnlich.« Der König ließ sich von Will den Säbel
reichen. »Sie hasst unsere Sitte, sich mehrere Frauen zu nehmen. Auch wenn ich
ihr oft genug erklärt habe, dass sie ebenso das Recht hat, andere Männer zu haben.«
Er
schnallte sich den Säbel an den silberbeschlagenen Gürtel und trat vor den
Spiegel, der neben dem Fenster hing. Das schimmernde Glas erinnerte Will an
etwas. Nur an was?
»Vermutlich
hat sie es von Anfang an so geplant und dich deshalb den Jadegoyl für mich
suchen lassen. Und falls sie recht behält«, setzte der König mit einem Blick
auf Will hinzu, »brauche ich eh nur ihn in meiner Nähe, um sicher zu sein.«
»Weich nicht von seiner Seite.« Die Fee hatte es so oft gesagt,
dass Will die Worte in seinen Träumen hörte. »Selbst wenn er dich fortschickt, gehorch ihm nicht!«
Sie war so
schön. Aber Hentzau verabscheute sie. Trotzdem hatte er Will auf ihren Befehl
hin trainiert - manchmal so hart, als wollte er ihn töten. Zum Glück heilte
Goylhaut schnell und die Angst hatte ihn nur zu einem besseren Kämpfer gemacht.
Erst gestern hatte er Hentzau den Säbel aus der Hand geschlagen. »Was habe ich
dir gesagt?«, hatte die Fee ihm zugeraunt. »Du bist zum Schutzengel geboren.
Vielleicht lasse ich dir eines Tages Flügel wachsen.«
»Aber was
war ich vorher?«, hatte Will gefragt.
»Seit wann
fragt der Schmetterling nach der Raupe?«, hatte sie zurückgefragt. »Er vergisst
sie. Und liebt, was er ist.«
Und ja,
das tat er. Will liebte die Unempfindlichkeit seiner Haut und die Kraft und
Unermüdlichkeit seiner Glieder, die alle Goyl den Weichhäuten so überlegen
machten - auch wenn er wusste, dass er aus ihrem Fleisch erschaffen worden war.
Er warf sich immer noch vor, dass er den einen hatte entkommen lassen, der wie
eine Ratte hinter den Wänden des Königs gesteckt hatte. Will konnte sein
Gesicht nicht vergessen: die grauen goldlosen Augen, das spinnwebfeine, dunkle
Haar, die weiche Haut, die all ihre Schwachheit verriet ... Er strich sich
schaudernd über die jadeglatte Hand.
»Die
Wahrheit ist, dass du diesen Frieden nicht willst.« Der König klang gereizt und
Hentzau senkte den Kopf wie ein alter Wolf vor dem Führer des Rudels. »Du
würdest sie am liebsten alle erschlagen. Jeden Einzelnen von ihnen. Männer,
Frauen und Kinder.«
»Richtig«,
erwiderte Hentzau heiser. »Solange auch nur einer von ihnen lebt, werden sie
dasselbe mit uns machen wollen. Verschiebt die Hochzeit um einen Tag. Bis
Verstärkung eintrifft.«
Kami'en
zog sich die Handschuhe über die Klauen. Sie waren aus dem Leder der Schlangen
genäht, die so tief unter der Erde hausten, dass selbst den Goyl auf der Jagd
nach ihnen fast die Haut schmolz. Die Fee hatte Will von den Schlangen erzählt.
Sie hatte ihm so vieles beschrieben: die Straße der Toten, die Wasserfälle aus
Sandstein, unterirdische Seen und Blütenfelder aus Amethyst. Er konnte es nicht
erwarten, all diese Wunder endlich mit eigenen Augen zu sehen.
Der König
griff nach seinem Helm und strich über die Echsenstacheln, die ihn schmückten.
Den Menschen Federbüsche, den Goyl Echsenstacheln. »Du weißt genau, was sie
sagen würden: Der Goyl fürchtet uns, weil er sich nicht hinter dem Rock seiner
Geliebten verstecken kann. Und: Wir haben immer gewusst, dass er diesen
Weitere Kostenlose Bücher