Funkensommer
die Boxentür, damit die Schweinebande in den neuen Stall hineinlaufen kann. Denn nun sind die Ferkel groß genug, um von der Mutter getrennt zu werden. So funktioniert das nämlich mit Schweineschnitzeln. Zuerst macht man alles, dass die Ferkel bei der Geburt überleben.
Dann, wenn sie alt genug sind, werden sie so lange gefüttert, bis sie genügend Schnitzelfleisch auf den Rippen haben.
Tja, und dann …
Als die erste Box voll ist, schließe ich schnell die Tür und mache die zweite Box auf.
Grrr-Grrr, machen sie. Schon ist die zweite Box voll. Dann die dritte und so weiter. Bis der ganze Stall voller Ferkel ist. Was für ein Gegrunze! Eines grunzt besonders laut. Ein ziemlich dickes … Oh – ist das nicht Brummer? Unser Ferkel? Das Finn und ich gemeinsam gerettet haben? Augenblicklich spüre ich, wie sich meine Augen schon wieder mit Tränen füllen. »Du dämliche Heulsuse!«, schelte ich mich innerlich und kneife die Augen fest zusammen, um mich abzureagieren.
Da kommt Papa auf mich zugestiefelt und fragt: »Was ist los? Warum schaust du denn so drein?«
»Ist das etwa … Brummer?« Meine Hand deutet auf das fröhlich grunzende Ferkel inmitten der rosaroten Menge.
»Du meinst den fetten Kerl dort drüben?«
Ich verdrehe die Augen. »Ja-a-a«, gebe ich schließlich zu.
Papa fängt zu lachen an. »Ja, stimmt doch! Das ist wirklich dein Brummer. Den hast du mit der Hand geholt, als wir auf dem Sonnenwendfest waren, stimmt’s?«
Ich nicke klamm.
»Ah«, macht Papa. »Verstehe! Deshalb machst du so ein Gesicht! Aber … so läuft das halt auf einem Bauernhof: Der Bauer macht aus Ferkeln Säue, so was nennt man Bauernschläue! « Er grinst stolz. »Den Spruch habe ich aus dem …«
»Ja, schon klar«, sage ich genervt.
»Wir verdienen unser Geld damit, Hannah«, versucht Papa daraufhin ernsthafter zu erklären. Kurz scheint es, als ob mein Vater ebenfalls ein Problem damit hat, diese süße Schweinebande als gewinnbringende Fleischbrocken anzusehen. Doch schon verrinnt der Moment, und er strafft die Schultern, rückt sich die Stallkappe zurecht und ruft: »Na, komm! Los jetzt! Die Muttersäue warten auch noch auf uns. Sie müssen in den Freilaufstall gebracht werden. In den nächsten Tagen ferkeln schon wieder die nächsten Säue. Dafür brauchen wir Platz!«
»Ja, gut«, murmle ich, weil ich ja doch nichts dagegen unternehmen kann, und trotte meinem Vater nach.
In der Zwischenzeit hat Mama die Gatter aufgestellt, damit die Säue nicht abhauen können, während sie von uns über den Hof gescheucht werden. Als alle Zäune befestigt sind, lässt Mama eine Muttersau nach der anderen aus der Abferkelbox raus, damit Papa und ich sie in Richtung Freilaufstall treiben können.
Das ist wieder ein ziemliches Gegrunze, aber dieses Mal eine Tonlage tiefer. Grrroo-Grrroo, machen Mutterschweine nämlich. Grrroo-Grrroo. Dabei lassen sie sich Zeit, um ein bisschen am Gras zu knabbern. An den Steinen zu lutschen. Oder einfach in der Erde herumzuwühlen. Das dauert. Denn Schweine machen so was ziemlich gerne.
Als endlich die letzten Säue in ihre Ställe spaziert sind, verschließen wir eilig die Boxen. Wir räumen die Gatter weg, bis in ein paar Wochen das Ganze wieder von vorne los geht und die nächsten Ferkel von der Mutter getrennt werden, um als Schnitzellieferanten heranzureifen. Ganz schön brutal irgendwie, finde ich. Aber wie hat Papa dazu gemeint: »So ist das nun mal auf einem Bauernhof …«
Außerdem schmeckt Schnitzel lecker! So ehrlich muss man sein!
Es ist schon fast Mittag, als wir endlich mit Schweinetreiben fertig sind. Mein Magen knurrt. Hoffentlich kocht Mama heute mal etwas Gescheites zum Essen. Ich kann in der Zwischenzeit kein Vollkorn mehr sehen. Darum frage ich: »Was gibt’s zu futtern?«
Mama zuckt mit den Schultern. »Ich weiß noch nicht so genau. Vielleicht Kohlrabiauflauf? Bevor das Gemüse im Garten bei diesem Regen verfault, sollte es ohnehin geerntet werden.« Sie denkt nach. Dann seufzt sie sehnsüchtig: »Oder vielleicht doch wieder einmal Kohlrabi Cordon bleu? Ausnahmsweise?«
Papa und ich bekommen leuchtende Augen. Kohlrabi Cordon bleu ist nämlich viel leckerer als fader Kohlrabiauflauf. Auch wenn das Cordon bleu vor Fett trieft und sich darin dicker Käse und Schinken verstecken.
»Hört sich gut an«, lacht Papa und nickt. »Ich bin eindeutig fürs Cordon bleu! Und du?« Er sieht mich an.
»Ich auch«, stöhne ich hungrig.
Mama lacht. »Und ich erst!«
Weitere Kostenlose Bücher