Funkensommer
wegen: Bei meinem Bruder ist alles in bester Ordnung! Das kann sie von mir aus jemand anderem weismachen – aber mir nicht. Der Seufzer hat sie soeben so was von verraten.
Heimlich versuche ich mich aus dem Staub zu machen. Ich will durch das Gartentor verschwinden, doch Finn hat mich längst ins Visier genommen.
»Hannah, hast du kurz Zeit?«, fragt er laut. Seine Stimme klingt rau. Und – wie ich überrascht feststelle – kampfbereit. Finn wird nicht so schnell aufgeben, merke ich. Und das finde ich dann doch wieder irgendwie süß – auch wenn er ein Mistkerl ist!
Also drehe ich mich langsam um. Mamas fragende Augen treffen mich. Ihr Blick schießt rüber zu Finn. Dann zurück zu mir. Als sie auf meinen Wangen kübelweise Tomatensuppenfarbe entdeckt, kriegen ihre Augen einen eigenartigen Glanz.
Sie schnappt sich die Kohlrabischüssel und ruft: »Huch, so spät ist es schon?! Ich muss schleunigst das Mittagessen kochen!« Ihr Lachen wirkt aufgesetzt. Hastig verabschiedet sie sich von Finn und zieht mit der Kohlrabischüssel an mir vorüber. Als wir auf gleicher Augenhöhe sind, zischt sie mir zu: »Jetzt ist ja wohl klar, was derzeit los ist!«, und dampft ab.
»Du hast mir keine andere Wahl gelassen«, sagt Finn wütend, als wir uns ein paar Schritte vom Hof entfernt haben. Dabei sieht er mich herausfordernd an. »Ich will dir das endlich erklären!« Er blinzelt. »Bitte!«
Ich schaue auf meine Gummistiefel herunter. An ihnen klebt ein bisschen Schweinescheiße. Und stinken tun sie auch danach. Vor ein paar Wochen wäre mir das noch total peinlich gewesen, wenn mich Finn so gesehen hätte … in Stallklamotten und Schweinemist. Aber jetzt ist mir das egal.
»Ich hab dir doch schon gesagt, dass es da nichts mehr zu reden gibt!«, sage ich.
Finn schnaubt. »Von wegen!« Er wirft das Rad achtlos in den Straßengraben. »Ich will, dass du weißt, dass ich nicht nach England gehen werde! Ich pfeif auf die Schule. Und vor allem pfeif ich auf meinen Alten! Dann muss ich die Siebente eben wiederholen. Egal! Ich bleibe hier! Verstanden?«
Irritiert sehe ich ihn an. »Wieso wiederholen?«, frage ich.
Er seufzt. Lang und tief. Mit hängenden Schultern kickt er einen Kieselstein davon. »Weil ich eine Niete in Englisch bin. Darum. Und … weil das der Deal war«, murmelt er.
»Welcher Deal?«
Finn räuspert sich. »Den mein Alter mit dem Englischlehrer abgesprochen hat. Das … darf aber eigentlich niemand wissen, weil …«
Ich sehe ihn ruhig an.
Daraufhin gibt sich Finn einen Ruck und murrt: »Ich sollte eigentlich die Klasse wiederholen – wegen Englisch. Doch mein Vater hat mit der Schule ausgemacht, dass ich in die Achte aufsteigen darf, wenn ich an einem Auslandssemester teilnehme. Ohne Nachprüfung und so. Mein Alter …«, wieder zögert er, »… ist fest davon überzeugt, dass es mir beruflich mal zum Verhängnis werden kann, wenn ich die Klasse kurz vor der Matura wiederhole. Deshalb der Deal.« Er holt Luft. »Das wollte ich dir eigentlich schon die ganze Zeit über sagen. Aber …«
»Ja?«
Finn legt die Stirn in Falten. »Ich war einfach zu feige«, gibt er zu. »Ich hatte Angst, dass du nichts von mir wissen willst, wenn du weißt, dass ich für drei Monate weggehe … Es tut mir leid …«
»Dabei hättest du Goldlöckchen doch um einiges einfacher haben können«, antworte ich spöttisch.
Finns Augen blitzen zornig auf. »Das ist unfair, Hannah! Du weißt, dass ich von Lena nichts will. Ich wollte immer nur dich …« Er angelt nach meiner Hand.
Widerwillig gebe ich nach und lasse meine Hand in seine sinken. Schlagartig beginnt mich seine Wärme zu durchströmen. Meinen Körper. Meine Seele. Mein Herz. Wie wild fange ich daraufhin zu schluchzen an.
Sofort schlingt er seine Arme um mich.
»Nicht weinen!«, stammelt er. Er zieht mich eng an sich heran. »Es tut mir so leid. Ich wollte dir nicht wehtun. Und ich wollte dich nicht anlügen. Das musst du mir glauben! Kannst du mir verzeihen?«
Ich vergrabe mein Gesicht in seiner Halsbeuge.
Finn streicht mir beruhigend übers Haar. »Ich werde hierbleiben. Versprochen!«, raunt er. »Egal, was mein Alter dazu sagt. Der wird sich schon wieder beruhigen. Hauptsache, wir bleiben zusammen. Ich pfeife auf seinen Deal!«
Langsam löse ich mich aus Finns Umarmung, denn jetzt ist mir wieder mein Deal eingefallen. »Ich kann aber nicht«, antworte ich mit belegter Stimme.
»Was meinst du?« Finn sieht mich verständnislos an.
»Ich kann
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