funny girl
sind gnadenlos.«
»Du bist zum Schreien.«
»Für dich ist das lustig. Für mich ein Alptraum.«
Azime küsste ihn auf die stopplige Wange und setzte sich aufs Sofa. Sie liebte ihn. Wenn Deniz da war, konnte sie einfach nicht lange unglücklich sein, egal, wie schlecht es ihr den Tag über gegangen war. Sie erinnerte sich an den Tag vor drei Jahren, an dem sie ihn zum ersten Mal gesehen hatte. Er war in einem County-and-Western-Outfit den Stanford Hill herunter auf sie zugekommen, wie einer, der seine eigene Welt fest im Griff hat. Sie hatte ihn nach dem Weg gefragt, in der Annahme, dass er sich in der Gegend bestens auskannte. Er hatte sie sechs Häuserblocks weit begleitet – so kurz war ihr ein Weg noch nie vorgekommen. Sechs Monate später hatte sie ihn in einem Waschsalon wiedergesehen – und auch hier war ihr ein Waschgang noch nie so kurz vorgekommen.
»Die können alles nachverfolgen«, sagte Deniz, »deshalb kann ich mein Mobiltelefon jetzt natürlich nicht mehr verwenden. Sämtliche Anrufe werden protokolliert. Ich habe jetzt das Telefon von einem Freund.«
Azime musste lächeln. »Und wie überzeugst du sie von deinem Tod?«
»Ich habe einen Totenschein gebastelt, mit gefälschter Unterschrift, und den habe ich an die Telefongesellschaft gefaxt. Hast du dir schon mal deinen Handyvertrag angesehen? Wenn du kündigst, bevor die Laufzeit um ist, holen sie sich ihr Geld auf jede nur erdenkliche Art zurück, und dann verlangen sie noch eine Riesensumme wegen vorzeitiger Kündigung. Ich wehr’ mich einfach nur, Mann.«
»Wie viel schuldest du ihnen?«
»Darum geht es doch nicht.«
»Wie viel?«
»Fünfundzwanzig Pfund.«
»Mehr nicht? Und dafür bist du ge storben ? Deniz, bezahl doch einfach die Rechnung!«
»Ich wehre mich im Namen des kleinen Mannes. Biete Big Brother die Stirn.«
»Und das im Schlafanzug?«
»Jawohl, im Schlafanzug. Ist doch egal. Aber ich seh’s ja ein. Ich ziehe mich an. Geh nicht weg. Wir machen einen Ausflug in meinem nagelneuen Auto.«
Er stand auf und ging ans andere Ende des Zimmers. Deniz hatte ein Auto? Mit seinen zwei Metern und fünf bewegte er sich mit der trägen Anmut eines Mannes, der keine träge Anmut hatte. Alles an ihm – sein Fernseher, sein Toaster, sein Liebesleben (so hoffte wenigstens Azime) – war in Auflösung, und keiner wusste, ob es je repariert würde. Aber sie hatte kein Mitleid mit ihm, nicht solange er sich so hartnäckig weigerte, Selbstmitleid zu haben.
Angezogen tauchte er wieder auf, und sie fuhren spazieren. Ein miserabler Autofahrer. Behinderte andere, fuhr dicht auf. Azime machte das nichts aus. Mit Deniz am Steuer zog die vertraute, dann die weniger vertraute Umgebung am Wagenfenster vorüber wie eine Art Festzug, sie lachten und redeten über den großen Erfolg, der ihm binnen kurzem sicher war, beide überzeugt, dass er ein Glückskind war, und atmeten die Abgase, die durch den rostzerfressenen Boden seines frischerworbenen, aber schrottreifen hornissengelben Renault Clio kamen. Typisch Deniz, dass er, selbst als der Schalthebel sich weigerte, in den dritten Gang zu gehen, und der Motor an der Ampel ausging, noch tat, als säßen sie in einem Rolls-Royce. Aber als er sich erst einmal an das Kupplungspedal erinnerte, lief der Wagen wieder, von neuem zog wie magisch die Landschaft vorüber, wechselte in rascher Folge von hässlich zu schmuck und wieder zurück zu hässlich, Arm und Reich Seite an Seite, typisch London eben. Und für Azime reichte es, dass sie mit ihm in dieser fahrenden Polstergarnitur saß, sie wünschte sich nichts anderes, als was sie in diesem Augenblick hatte, sie wollte nichts anderes sein, als sie in seiner Gesellschaft war.
Und wie nannte man einen solchen Zustand? Liebe? War es Liebe, was sie für Deniz empfand? Romantische Liebe? Tja, wer wusste so etwas schon? Er war süß, wahnsinnig lustig, aber vollkommen verrückt, zu durchgeknallt, um zurechnungsfähig zu sein. Eins stand fest: Solange die Räder seines Autos sich drehten und Deniz darüber redete, wie schwer es war zu beweisen, dass man tot war, wenn man in Wirklichkeit noch lebte, war Azime glücklich.
Auf der Rückfahrt legte Deniz im Einzelnen dar, wie er nicht einfach nur Erfolg haben, sondern ein Star werden wollte. »Comedy-Shows«, erklärte er, »sind für jemand wie mich der wahrscheinlichste Weg zum Ruhm. Aber ich will kein Comedian im herkömmlichen Sinne sein. Ich will Comedy ohne Gags, und, wenn ich das hinkriege, sogar ohne
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