funny girl
blieben. Es war ein Musterbeispiel dafür, wie man eine Pantomime nicht machen soll. Danach las er zur Begleitung von It’s a Wonderful World aus dem örtlichen Telefonbuch vor.
Bei »Aardman« gebot die Kursleiterin, Kirsten Kole, ihm Einhalt.
Kirsten. 42. Hatte Englisch in Edinburgh studiert. Geheiratet. Familie gegründet. Ihr Viertes war letzten Januar zur Welt gekommen. Burschikoser Typ. Keine, mit der man sich anlegte. Die weite Latzhose war ihre Uniform. Notizbuch und Bleistift in der Brusttasche. Die Brille baumelte an einer Perlenkette. Kirsten machte keine Kompromisse. Bevor die Kinder kamen, war sie in Comedy-Clubs aufgetreten, aber jetzt tat sie das kaum noch. Schrieb aber nach wie vor humoristische Sketche, Drehbücher und Pointen, hauptsächlich fürs Radio.
Sie dankte Deniz mit dem Hinweis, dass sein Auftritt immerhin sehr originell gewesen sei und man ihn am ehesten als »Anti-Comedy« beschreiben könne. Das gefiel Deniz. Er verließ zufrieden die Bühne und setzte sich zu Azime in die hinterste Reihe, wo sie sich nun noch die letzten Auftritte ansahen. Er machte im Verborgenen eine triumphierende Geste. Was für andere ein Rückschlag gewesen wäre, war für ihn ein großer Schritt vorwärts.
Im Flüsterton fragte er: »Wie war ich?«
»Unbeschreiblich.«
»Das Wort ›genial‹ kommt dir wohl nicht über die Lippen?«
Als die letzten der zehn Teilnehmer ihre Auftritte absolviert hatten, war Azime sicher, dass höchstens vier von ihnen je ihr Brot als Comedians verdienen würden. Sollte ihnen das nicht jemand sagen? Wenn eine komische Nummer nicht funktionierte, dann war das grässlich, trauriger als jede Tragödie.
Aber wieso machte es Azime dann so viel Spaß, bei diesen Auftritten zuzuschauen? Die stille Beobachterin in der hintersten Reihe eines Gemeindesaals am Rand des Londoner Stadtbezirks Hackney sah zu ihrer Freude, dass auch der himmelschreiendste Mangel an Talent die Leute nicht davon abhielt, es zu versuchen – von dem Wunsch, sie selbst zu sein und etwas zu bewegen. Selbst die schlechtesten sagten das eine oder andere, was die meisten Leute nie sagen würden, sich nicht zu sagen trauten, und sie plapperten nichts nach, sie sagten Sachen, die sie sich selbst ausgedacht hatten. Immerhin waren das mutige Menschen, anderen Leuten, die nichts zu sagen hatten, weit überlegen. Diese Leute wagten etwas, riskierten, dass sie dumm aussahen, wollten kreativ sein, lustig, sagen, was sie auf dem Herzen hatten – und zwar auf ihrem ganz persönlichen Herzen. Sie gaben Dinge über sich preis, intime, peinliche Dinge, bei denen die meisten Leute sogar Geld dafür bezahlen würden, dass sie verborgen blieben. Zehn Leute, die beteuerten, versicherten, es herausschrien: Hier bin ich, ich lebe, ich habe etwas zu sagen! Kurz, es waren Menschen, die versuchten, etwas Ungewöhnliches aus der Gewöhnlichkeit ihres gewöhnlichen Lebens zu machen.
Bevor Kirsten den Abend für beendet erklärte, wollte die Frau, die sich als Hausfrau bezeichnete, von ihr wissen, was genau uns denn nun eigentlich zum Lachen bringe.
Kirsten trat auf die Bühne, verschränkte die Arme, atmete tief durch und blickte forschend in die Augen ihrer Schüler, während sie sich eine Antwort überlegte.
»Eine ausgezeichnete Frage. Und verdammt schwer zu beantworten. Und eine sehr alte, verdammt schwer zu beantwortende, ausgezeichnete Frage.« Lange Pause. »Warum lachen wir überhaupt? Und woran liegt es, dass uns etwas zum Lachen bringt? Früher habe ich meinen Schülern immer gesagt: Das ist ganz einfach – das Lachen kommt daher, dass man etwas sagt oder tut oder denkt, das lustig ist. Was uns zu der Frage bringt: Was ist lustig? Auch darauf gibt es eine ganz einfache Antwort. Lustig ist das, was uns zum Lachen bringt. Womit wir wieder am Anfang wären! Wieder bei null.« Gelächter aus dem Kurs. »Versuchen wir es mal damit: Witze. Witze bringen uns zum Lachen. Oder sollten es zumindest. Witze beruhen auf…? Worauf? Weiß das jemand?«
Deniz: »Sie ber–«
»Auf Überraschung!«, unterbrach sie ihn, und alle lachten. »Ganz genau. Sie beruhen auf Überraschung. Entweder verdrehen sie die Logik – Ein Grashüpfer kommt in eine Bar. Der Barkeeper sagt: ›Wir haben einen Drink, der nach dir benannt ist.‹ Der Grashüpfer: ›Wirklich, ihr habt einen Drink, der Richard heißt?‹– oder nutzen echte oder klanglich ähnliche Mehrdeutigkeiten in der Sprache – ›Was liegt am Strand und spricht undeutlich? Eine
Weitere Kostenlose Bücher