funny girl
eine Freifahrkarte, wenn man der Erste ist, der irgendwas macht. Wer ist der Mann, der als erster kurdisch-muslimischer absurder Komiker auftritt? Über Nacht, über Nacht ist der Name in aller Munde… die Antwort bei tausend Fragespielen im Pub. ›Fünf Punkte für den, der den ersten kurdischen Komiker in Großbritannien nennt. Korrekte Antwort drüben an Tisch drei, Deniz Ali Bin Ramezanzadeh!‹«
Der Bursche konnte einen Hund überreden, vom Fleischtransporter wegzugehen. Bewundernswert. Vielleicht war sie ja wirklich in ihn verliebt. Soviel sie wusste, war er Single. Es war nie von einer Freundin die Rede gewesen; er sprach von sich als KRS – keiner Romanze schuldig. Und was sie selbst anging, mehr Single als eine Jungfrau konnte man ja wohl nicht sein. Gefiel sie ihm? Sie wusste nicht einmal, wie sie hinter ihre eigenen Gefühle kommen sollte, geschweige denn seine. Sie würde sich jedenfalls bestimmt nicht anmerken lassen, dass sie interessiert war, wenn er nicht den Anfang machte. Aber hallo! So was musste auf Gegenseitigkeit beruhen: ein Fifty-fifty-Deal, sonst vergiss es. Und die Wahrscheinlichkeit, dass Deniz sagen würde, dass er auf Azime stand, war mäßig bis saumäßig, kalkulierte sie. Wenn da jemals etwas laufen sollte, musste sie den ersten Schritt tun.
Erst jetzt sah Deniz zu ihr herüber und wechselte sofort das Thema.
»Wie geht’s dir? Was ist los ?«
»Ach, ich weiß nicht. Ich hasse meinen Job. Oder besser gesagt, streiche Job, ersetze durch Leben.«
»I st das alles?«
»Seit einer Weile geht wirklich alles nur noch bergab. Aber es hat ja schon schlecht an gefangen, und da…«
Deniz sagte zunächst nichts. Er musste den Wagen wieder anlassen, nachdem der Motor an der Kreuzung ausgegangen war. Andere Fahrer hupten hinter ihm, aber er ließ sich Zeit, seinen Clio wieder in Gang zu bekommen und hupte selbst ein paarmal.
»Willst du mal bei was Lustigem dabei sein?«
»An was denkst du da?«
»Dienstagabend.«
»Was passiert dann?«
»Du kommst zu mir.«
»Am Dienstag?«
»Bist du taub?«
»Was passiert da?«
»Stell keine Fragen , red keinen Blödsinn. Dienstagabend.«
3
AZIME : Oft fragen mich Leute – na ja, eigentlich fragen sie nicht, aber mir ist keine bessere Überleitung eingefallen – »Wie kommt es, dass jemand wie du Comedian geworden ist, Azime? Erzähl es uns – enthülle uns (ha!) deine Lebensgeschichte.« Nun, das ist ganz einfach. Man erzählt seinen Eltern, dass man zur Schule geht, und – Achtung, jetzt kommt es – man geht wirklich zur Schule. Aber in Wirklichkeit ist es eine Schule für Komiker. Und wenn man, so wie ich, die Schule schon immer für einen Witz gehalten hat, dann ist die Vorstellung von einer Schule, die sich tatsächlich dazu bekennt, gar nicht mal so abwegig.
Azime saß in der hintersten Reihe von Deniz’ Kurs für Amateurcomedians und dachte nur: ›Was für eine Ansammlung von Spinnern, Exzentrikern, Außenseitern, angehenden Egozentrikern, Versagern, Ichsuchern und ausgemachten Vollidioten.‹
Eine Hausfrau aus dem Viertel betrat die Bühne, dann ein Student, dann ein Klempner, danach ein IT -Berater mit einem unglaublichen Unterbiss, mit dem er aussah wie der unglückselige Sprössling einer Frau und eines Barrakudas; dann ein junger Mann, der offenbar mehr Hühnchen zu rupfen hatte als jede Hühnerfarm, zuletzt ein unglaublich alter Mann im Rollstuhl, der von Rechts wegen hätte tot sein sollen.
Alle sechs genossen ihren Auftritt, das Gewicht des Mikrophons in der Hand. Sie erzählten Sachen, die nicht witzig waren, meist mit nervöser Stimme, dann traten – oder rollten – sie wieder ab. Die Kursleiterin klatschte in die Hände. Jetzt war Deniz an der Reihe. Azime biss sich auf die Unterlippe. Sie wünschte sich, dass er komisch, wirklich komisch sein würde – so zum Brüllen komisch, wie er, das wusste sie, sein konnte.
Aber sein Vortrag war krank. Fast schon irre. Manche hätten ihn wahrscheinlich für einen Fall für die Klapsmühle gehalten. Wäre er betrunken gewesen, hätte man ihm seinen Auftritt verzeihen können, aber er war nüchtern. Er stand mitten auf der Bühne, breitete die Arme aus und rief: »Das Minimum, das ist das allermindeste, was ich verdiene!« Dann stellte er den CD -Player an und begann zu Edward Elgars Land of Hope and Glory eine unglaublich schlechte Pantomime, versuchte Dinge darzustellen – Türen, Türknäufe, Fenster –, die aus den Angeln gingen und an seinen Händen kleben
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