Furchtbar lieb
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Kapitel eins
Manche Menschen finden auf einen Schlag zu sich selbst, wie bei einer Explosion. Vielleicht bei einer Rucksacktour im Himalaya oder auf einem LSD-Trip. Manche Menschen studieren die Kunst der Selbstfindung und machen nach Jahren fleißigen Lernens ihren Abschluss – oder auch nicht. Ich selbst habe Stück für Stück zu mir selbst gefunden, mehr oder weniger durch eine Reihe von Zufällen.
Das erste Stück habe ich in einem Zelt auf dem West Highland Way gefunden. Meine beste Freundin Sarah schlief. Ihr Mann lag neben ihr, und ich schluckte sein Sperma.
Ich entdeckte das nächste Stück von mir am Grund einer Klippe, als ich Sarahs toten Körper dort entlangschleifte, während ihr Kopf gegen die Felsen schlug. Sarah, meine beste Freundin seit Kinderzeiten, die ich verraten und ermordet hatte.
Und dann, in der Dunkelheit des Dachbodens meiner Eltern, fand ich den Rest von mir.
***
Bis vor einer Woche hatte ich in meinem Leben nur einen einzigen wirklich bedeutsamen Fehler begangen. Ich wusste, dass ich Schwächen hatte. Kleinigkeiten wie die, dass ich eitel war und ungeduldig und zwanzig Einheiten Alkohol in der Woche trank; was eine Lüge ist, denn es müssen mindestens fünfundzwanzig gewesen sein; und auch das ist eine Lüge. Aber ich hatte nur ein einziges Mal etwas getan, wofür ich mich wirklich schämte.
Ich war nach Teneriffa gefahren, mit Marj von der Arbeit, dieeinen Typen kannte, der einen Typen kannte, der uns Pillen besorgen konnte. Also verbrachten Marj und ich sieben Tage damit, dass wir auf schwarzem Sand schliefen und Orangensaft tranken, und sieben Nächte damit, dass wir in einem Nachtklub tanzten. Unsere Gesichter berührten sich, und wir tanzten zu den Sprenkeln auf der Tanzfläche, die gleichzeitig schön und bedrohlich waren. Eines Abends tanzte ich gerade zu einem ganz bestimmten Sprenkel, als ich merkte, dass ein Mann mit weißen Zähnen, in einem Khaki-T-Shirt und einer Diesel-Jeans, mit mir tanzte, und dass er den Sprenkel auf dem Boden auch verstand.
Wir sahen uns einen Augenblick lang an und lächelten, weil wir beide genau dasselbe zu genau derselben Zeit dachten. »Endlich jemand, der mich versteht.«
Ungläubig schüttelte ich den Kopf. Ich hatte ihn gefunden!
Er berührte meine Schulter voll echter Liebe, und ich ertastete sein Gesicht mit meinen warmen Fingern. Dann nahm ich seine Hand, ging seelenruhig zur Damentoilette, schob ihn in die Kabine, rollte meinen schwarzen Tanga über die Beine und drückte seinen Kopf hinab und in mich hinein. Er tauchte mit überraschender Schnelligkeit wieder auf, und wir liebten uns an der reinen, weißgekachelten Wand dieses wunderbaren, weichen Ortes. Wir sahen uns in die Augen, hielten uns an den Händen und liebten uns.
Es ist seltsam, wie der Katzenjammer über einen kommt. Meiner kam im selben Moment wie der Mann mit den weißen Zähnen. Fast wie ein Schuss drangen Erschöpfung, Augenschmerz und schlechter Atem in mich ein. Bumm. Ich war verkatert, und ich sah, dass die weißen Fugen zwischen den Kacheln in Wahrheit mit feuchten, grauen Pissedämpfen beschlagen waren, dass die Toilette braun von Scheißespritzern war, und dass der Mann, meine schöne wahre Liebe, irgendetwas Orangefarbenes zwischen seinen Schneidezähnen stecken hatte.
Ich wünschte, dass er meinen Schleim aus seinem Gesicht wischen würde, und ich musste dringend Wasser trinken.
Ich machte Marj ausfindig und zog sie von der Tanzfläche, und wir gingen zurück in unser Hotelzimmer.
Bis vor einer Woche war das der einzige große Fehler, den ich jemals begangen hatte. Das Einzige, was ich wirklich bereute. Auf diese Weise mit dem kleinen Robbie schwanger geworden zu sein. Mit meinem kleinen Baby Robbie.
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Kapitel zwei
Es war Sarah, die mir durch die Schwangerschaft half. Unsere Freundschaft hatte eine lange Vorgeschichte – mit der Zeit hatten wir uns den Anspruch auf die bedingungslose Liebe des anderen erworben. Und obwohl wir einander unendlich auf die Nerven gingen – vor allem, als wir uns mit den Jahren immer mehr in unsere Mütter verwandelten –, empfanden wir echte Liebe füreinander. Wenn die Politesse kein Einsehen hatte, dann war es Sarah, die ich wehklagend anrief. Wenn ich ein eingewachsenes Haar hatte, das entfernt werden musste, dann war es Sarah, die Krankenschwester, die mich operierte. Wenn ich auf dem Sofa sitzen und nicht sprechen wollte, dann war es Sarah, die stillschweigend die besonders guten Chips
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