Furious love
war Lee Marvin, der »bessere Säufer«, der ihm acht Jahre zuvor den Oscar für Der Spion, der aus der Kälte kam abspenstig gemacht hatte. Und ein »besserer Säufer« war Marvin tatsächlich, denn im Vergleich zu Burton blieb er verhältnismäßig nüchtern. Mit Richards drei Flaschen Wodka am Tag konnte er einfach nicht mithalten, genauso wenig wie Elizabeth.
Trotz Versöhnung trank Richard unaufhörlich, selbstmörderisch, von morgens bis abends. Sein Händezittern konnte er inzwischen überhaupt nicht mehr kontrollieren. Er hatte die chronische Phase des Alkoholismus
endgültig erreicht und verleugnete trotzdem nach wie vor, dass er überhaupt Alkoholiker war. Nun konnte ihn nur noch ärztliche Intervention retten.
In The Klansman spielt Burton den heruntergekommenen Gutsbesitzer mit Hinkebein und Südstaaten-Akzent. Das Hinken war allerdings echt, bedingt durch Richards Gicht. Burton quälte sich. Einmal brach er beinahe in Tränen aus, weil er seinen Text verpatzte. Er litt außerdem unter den Schmerzen von einer Ischialgie und alten Verletzungen, insbesondere im linken Arm. Deswegen zog er permanent die Schultern hoch. »Es war ein Wunder, dass er sich überhaupt bewegen konnte«, kommentierte Lee Marvin später. »Er war tapfer, das bewunderte ich. Er klagte nie über seine Schmerzen. Wenn ich fragte: ›Rich, alles in Ordnung?‹, antwortete er: ›Nur ein kleines Zipperlein.‹ Zipperlein! Verdammt, der Typ litt Höllenqualen!« Ref 647
Und da Burton nun ständig einen hohen Pegel hielt, begann er auch wieder zu flirten, zuerst mit Kleindarstellerinnen der Produktion. Als sich das herumsprach, kamen immer mehr junge Frauen ans Set, in der Hoffnung, von dem berühmten Schauspieler abgeschleppt zu werden. Eine achtzehnjährige Kellnerin, die er vor dem Gefängnis traf, lud er in seinen Wohnwagen ein und kaufte ihr am nächsten Tag einen Ring für 450 Dollar. Damit schaffte es die Kellnerin, die ehemalige »Miss Pepsi« des County Butte, auf die ersten Seiten in der Lokalpresse. Außerdem fing er etwas mit einer 33-jährigen verheirateten Frau an, die drei Kinder hatte und einen wütenden Ehemann. Der tauchte irgendwann am Set auf und drohte, Richard zu erschießen. Damit war dieser Flirt auch vorbei.
Burton wusste selbst, dass er völlig zügellos war. Gianni Bozzacchi erkannte, dass es ihn unglücklich machte, Elizabeth zu betrügen. Damit habe er »erst am Ende, als er so schrecklich viel trank« angefangen, erinnert sich Bozzacchi. »Ich weiß noch, wie Richard mit Tränen in den Augen zu mir sagte: ›Gianni, warum tue ich das? Ich liebe diese Frau so sehr.‹ Nicht nur der Alkohol richtete ihn zugrunde, sondern auch seine Schuldgefühle.«
Die Journalisten witterten eine heiße Geschichte und strömten ans Set. Mitte der 1970er-Jahre waren Alkoholiker noch Zielscheibe von Verachtung und Spott. Der Gedanke, dass Alkoholismus eine Krankheit wie Diabetes ist, war noch nicht in den Köpfen der Menschen angekommen.
Sogar der Verantwortliche für die Öffentlichkeitsarbeit bei dieser Produktion nutzte die Situation, getreu dem Motto, besser schlechte Publicity als gar keine, und lud die Presse ein, Burtons öffentlichem Verfall nachzuspüren. Die Reporter hatten Spaß daran, Burton zu provozieren und ihm zuzurufen: »Erzählen Sie uns etwas über Dylan Thomas! Über Wales!« Und dann schrieben sie, er sei ein menschliches Wrack, zitierten eifrig seine gequälten Worte, die er wie wertlose Münzen hinwarf: »Mein Vater war ein Trinker, ich bin ein Trinker und Lee Marvin ist ein Trinker. Am liebsten auf der ganzen Welt bin ich in meinem Dorf in Wales, im Pub, stehe mit den Bergleuten an der Bar, trinke Pints und erzähle Geschichten. Man trinkt, weil das Leben groß ist und einen blendet«, erklärte er. »Poesie und Sprit sind das Beste. Und Frauen. Tod und Wahrheit sind unergründlich, deswegen beschäftigen sie uns das ganze schöne Erdenleben. Und Hochprozentiges hilft.« Ref 648 Ref 649
Richards Verfall traf Elizabeth tief. Sie flog nach Los Angeles, als sie die Geschichte von dem 450-Dollar-Ring in der Zeitung las, nach nur einer Woche Dreharbeiten. Ironischerweise gestand Richard später Lee Marvin zu, ihm das Leben gerettet zu haben. »Ohne Marvin hätte ich nicht überlebt«, sagte er dem Schauspieler und Autor Michael Munn. »Ich hätte verdammt viel mehr in viel kürzerer Zeit getrunken und wäre viel früher tot gewesen.« Lee Marvin verstand, dass Richard »nicht trank, weil es ihm Spaß
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