Fußballschule am Meer Bd. 1 - Fiese Fouls
Norden abholen sollte!
«Willst du etwa auch zum Fußballinternat Norderdünersiel?», fragte er Joshua, doch der schien stumm zu sein. Oder er hatte keine Lust zu reden. Jedenfalls nickte er nur kurz. Ganz im Gegensatz zu seiner Schwester.
«Du auch? He, das ist ja super!», rief sie begeistert und zog ihre Mutter, die immer noch telefonierte, am Arm. «Du, Mama, stell dir vor …» – sie stutzte und warf einen Blick zur Seite – «äh, wie heißt du überhaupt?»
«Finn.»
«Moment mal», sagte Brits Mutter in das Telefon und sah Finn fragend an. «Und mit Nachnamen?»
«Dingi», sagte Brit und kicherte.
«Hahaha, sehr komisch», meinte Finn. Der Witz war uralt. Seit jemand in der Schule herausgefunden hatte, dass es eine Segelbootsklasse mit der Bezeichnung Finn-Dingi gab, hatte er den Spruch mindestens schon eine Million Mal gehört.
«Nun?», fragte Brits Mutter.
Für einen Augenblick dachte Finn daran, sich einen berühmten Fußballernamen zu geben. Netzer, Beckenbauer, Matthäus oder sogar Lahm. Doch Philipp Lahm, sein Lieblingsspieler und großes Vorbild, war eindeutig zu jung, um sein Vater sein zu können. Außerdem hätte Finn früher daran denken müssen, bevor er sich mit seinem richtigen Namen im Fußballinternat angemeldet hatte.
«Hartmann», sagte er deshalb zu Brits Mutter, die den Namen sofort weitergab. «Ein Finn Hartmann ist auch noch hier, wir bringen ihn mit und kommen dann zusammen eine Stunde später an. Werden wir am Bahnhof abgeholt?»
Offenbar war die Antwort positiv, denn Brits Mutter bedankte sich bei Herrn Brenneisen und legte ihr Handy zurück in die Handtasche. Erst dann bemerkte sie Finns Blick.
«Was?», fragte sie.
«Ich kann allein mit der Bahn fahren», erklärte Finn, obwohl er insgeheim ganz froh war, dass die Abholung vom Nordener Bahnhof geklärt war.
«Mensch, Mama, das kann er ja wohl allein», sagte Brit fast zeitgleich, nur mit einer etwas genervter klingenden Stimme.
Sie sah Finn an – und wie auf Kommando begannen beide zu grinsen. Obwohl sie sich erst wenige Minuten zuvor das erste Mal begegnet waren, hatten beide das Gefühl, sich schon sehr gut zu kennen.
«Bist du wirklich allein unterwegs?» Brits Mutter reckte ihren Hals, als ob sie nach jemandem Ausschau hielt.
«Kennen Sie meine Eltern?», fragte Finn erstaunt.
«Nein, natürlich nicht! Ich dachte nur, dass ich vielleicht jemanden sehen würde, der so aussieht, als ob er auf der Suche nach dir wäre …»
«Ach so», sagte Finn todernst, und Brit amüsierte sich köstlich. Sogar in Joshs Gesicht war der Anflug eines leisen Lächelns zu erkennen. Ansonsten stand er immer noch einen Schritt hinter seiner Mutter und muckste sich nicht.
«Ich weiß, ich bin eine Glucke», gab Brits Mutter zu. «Aber es ist nun mal eine schreckliche Vorstellung, meine Kinder mutterseelenallein quer durch Deutschland reisen zu lassen. – Wieso begleitet dich niemand?»
Ja, warum nicht? Finn schluckte. Dann kaute er auf der Unterlippe, starrte auf die Gleise und wanderte in Gedanken einige Wochen zurück, bis in den Mai.
Die Antwort des Fußballinternats auf seine E-Mail war damals überraschend schnell gekommen. Nachdem er den Brief gelesen hatte, wusste er auch, wieso. Aus irgendeinem Grund hatte Finn geglaubt, dass das Fußball-Sommercamp kostenlos wäre. Vielleicht, weil während der zwei Wochen die Talente entdeckt werden sollten, die später im Internat aufgenommen wurden. Doch die Fußball-Ferien kosteten Geld. Nicht sehrviel, aber mehr, als er auf seinem Sparbuch hatte. Für Finn war in dem Augenblick ein Traum geplatzt. Er hatte es sich so schön vorgestellt, einfach die Sachen zu packen und abzuhauen. Zwei Wochen ohne Streit, ohne Stress mit dem Vater, ohne die Zwillinge. Doch anscheinend hatte sein Vater recht: Man bekam im Leben nichts geschenkt! Finn blieben also nur zwei Möglichkeiten – entweder er verzichtete auf das Fußball-Sommercamp, oder er fragte seine Eltern, ob sie ihm die Reise erlaubten.
Fünf Tage lang hatte er den Brief mit sich herumgeschleppt, bevor er sich endlich traute und ihn seinen Eltern zeigte. Ihre Reaktionen waren überraschend, aber eindeutig. Offensichtlich freuten sie sich ebenso sehr wie Finn über die Aussicht, einmal einen Urlaub ohne tägliche Auseinandersetzungen zu erleben. Schon am nächsten Tag buchten sie zwei Wochen an der italienischen Riviera, nur für sich und die Zwillinge.
Die unverhohlene Freude seines Vaters tat Finn weh, aber wie immer
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