Fußballschule am Meer Bd. 4 - Volles Risiko
später die Leselampe über seinem Bett aufleuchtete.
Finn hörte ihn ins Bad gehen und wieder zurückkommen. Wenig später wurde es dunkel im Zimmer, und bald darauf schnarchte Luca auch schon leise. Finn wusste nicht, ob sein Mitbewohner und Freund wirklich schlief oder nur so tat. Aber er war Luca dankbar dafür, dass er sich ihm gegenüber wie immer verhalten hatte und nicht extra vorsichtig gewesen war oder versucht hatte, mit ihm zu reden. Das Gespräch mit Manni Brenneisen hatte Finn gutgetan, aber damit hatte es sich dann auch. Den Rest konnte und wollte er nur mit sich alleine abmachen.
Finn kuschelte sich in seine Decke, schloss die Augen und sah sofort die alte Frau in Rosa vor sich! Erschrocken riss er die Augen wieder auf, drehte sich auf den Rücken und versuchte an etwas anderes zu denken, um sich abzulenken. Doch das Einzige, was ihm einfiel, war der immer näher rückende «Tag der offenen Tür» – und damit das Wiedersehen mit seinem Vater!
So ging es die ganze Nacht weiter. Finn sah entweder die alte Frau vor seinen geschlossenen Augen, oder er dachte an seinen Vater. Als gäbe es nichts anderes in seinem Leben!
Irgendwann war Finn dann aber doch eingeschlafen, und da er seinen Wecker nicht gestellt hatte und Luca beim Aufstehen wohl sehr rücksichtsvoll gewesen war, wachte er erst am späten Vormittag wieder auf. Finn machte sich über die belegten Brötchen her, die jemand zusammen mit einem Glas Milch auf seinen Schreibtischgestellt hatte, und legte sich danach gleich wieder hin. Er war zwar nicht mehr wirklich müde, aber er fühlte sich unwohl. Nicht richtig krank, wie bei einer Erkältung oder wenn er Bauchschmerzen hatte. Es war eher so ein Gefühl, als ob er sich auflösen würde. Oder alles um ihn herum. Jedenfalls war nichts mehr so, wie er es kannte!
Oma Möller war tot. Dani wollte die Fußballschule verlassen. Luca war zum Glück noch derselbe, obwohl er eigentlich ein anderer war. Finn selbst hatte sich in den vergangenen Wochen ebenfalls verändert. So sehr, dass er mit Brit in einem Strandkorb sitzen und sich mit ihr unterhalten konnte, dass er davon träumte, sie zu küssen und andere Mädchen nackt zu sehen. Ein Verantwortlicher des Internats setzte sich dafür ein, dass er einen Tag schulfrei bekam, anstatt ihn aufzufordern, mehr für die Schule zu tun. Das alles war doch nicht mehr normal! Und als wäre das nicht genug, wollte jetzt auch noch sein Vater kommen und alles noch mehr durcheinanderbringen.
Plötzlich hielt Finn es im Bett nicht mehr aus. Er stand auf, duschte, zog sich an, lief hinunter in den Keller, schnappte sich ein Fahrrad und fuhr los, immer oben auf dem Deich entlang. Dort wehte eine frische Brise, die richtig guttat. Finns Kopf wurde kräftig durchgepustet, und schon bald fühlte er sich wunderbar leicht.
Doch das Gefühl trog. Gedanken können verdammt hartnäckig sein, und Finns gehörten zu der übelsten Sorte. Zudem waren sie auch noch gemein, denn sie spielten ein altes, hinterhältiges Spiel mit ihm: den Wettlauf zwischen Hase und Igel! Egal, wohin Finn auch fuhr und wo er anhielt– seine Gedanken meldeten sich sofort: «Hallo, wir sind auch schon da!»
Irgendwann ahnte Finn, dass er vor seinen Gedanken nicht davonlaufen konnte. Also beendete er den ungleichen Wettkampf, fuhr von der Deichkrone hinunter auf die windgeschützte Straße und radelte gemächlich zum Altenstift «Nordseeblick». Er war zwar am Vormittag nicht in der Schule gewesen und hatte keine Hausaufgaben auf. Aber deswegen war er auch nicht hergekommen. Der Nachhilfeunterricht bei Professor Hellroth hatte mit den Hausaufgaben nichts zu tun. Außer dass Finn endlich begriff, was ihm die Lehrer in der Schule beibringen wollten und ihm die Aufgaben sehr viel leichter fielen, seit er die Nachhilfestunden bekam.
Aber er war auch nicht wegen des Nachhilfeunterrichts nach Krabbensiel gefahren. Der musste an diesem Tag noch einmal ausfallen. Zuerst wollte Finn nämlich herausfinden, ob der Professor sich als Ersatz für Oma Möller eignete. Ob er auch so gut zuhören konnte, Geduld hatte, die richtigen Fragen stellte und am Ende sogar noch einen Rat wusste, den er weder wie einen Befehl rüberbrachte noch Finn dabei das Gefühl vermittelte, er sei ein Volltrottel, weil er nicht selbst auf die Idee gekommen war. Finn wusste, dass er viel von dem alten Professor erwartete. Aber genau so waren die Gespräche mit «seiner» Oma nun mal abgelaufen, und mit weniger wollte er sich nicht
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