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FutureMatic

FutureMatic

Titel: FutureMatic Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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Wasserstiefel baumelt dicht dabei, aber keine Spur von der Person, die sie dort aufgehängt hat. Chevette bewegt sich rasch, ihre Füße erinnern sich, und sie geht dorthin, wo korrodierte Aluminiumsprossen aus faustgroßen Super-Epoxydharz-Placken ragen.
    Die Kettenkugeln am Reißverschluss von Skinners alter Jacke klimpern, als sie hochsteigt. Diese Sprossen sind ein Hinteraus-gang, ein Fluchtweg für den Fall des Falles.
    Sie klettert an der blassgrünen Sonne einer Treibhauslampe vorbei, die in einer korrodierten, sehr stabilen Fassung sitzt, und zieht sich die letzte Aluminiumsprosse hoch, durch eine enge, dreieckige Öffnung.
    Es ist dunkel hier; die Stelle liegt im Schatten von Wänden aus regengeschwollenen Verbundstoffen. Dunkelheit, wo sie sich an Licht erinnert, und sie sieht, dass die Glühbirne oben in diesem umschlossenen Raum nicht mehr da ist. Er ist das untere Ende von Skinners »Seilbahn«, des kleinen Zahnradlifts aus Schrott-teilen, den ein Schwarzer namens Fontaine für ihn gebaut hat, und hier hat sie in ihrer Kurierfahrerzeit ihr Fahrrad angekettet, nachdem sie es eine andere, nicht so verborgene Leiter hinaufgetragen hatte.
    Sie mustert die gezahnte Schiene des Zahnradlifts, wo das Schmierfett von Staubansammlungen stumpf ist. Die Gondel, ein gelber, städtischer Recycling-Container, hoch genug, dass man drin stehen und sich am Rand fest halten kann, wartet an der rich-106
    tigen Stelle. Wenn sie hier ist, heißt das wahrscheinlich, dass der gegenwärtige Bewohner des Kabelturms nicht da ist. Sofern er sie nicht runter geschickt hat, weil er Besuch erwartet, aber das bezweifelt Chevette. Es ist besser, die Gondel oben zu behalten, wenn man oben ist. Sie kennt dieses Gefühl.
    Nun steigt sie Holzsprossen hinauf, eine primitivere Leiter aus Kantholz, bis sie den Kopf über den oberen Rand des Sperrholzes hinausstreckt und gleich wieder unterm Wind und dem sil-brigen Licht einzieht. Sieht eine Möwe keine sechs Meter entfernt vor der Kulisse der Hochhaustürme der Stadt fast reglos in der Luft stehen.
    Der Wind zerrt an ihren Haaren, die jetzt länger sind als zu der Zeit, als sie hier gewohnt hat, und ein Gefühl, das sie nicht be-nennen kann, stellt sich ein wie etwas, was sie seit jeher kennt, und sie hat keine Lust mehr weiterzuklettern, denn sie weiß jetzt, dass es das Zuhause, an das sie sich erinnert, nicht mehr gibt. Nur seine im Wind summende Hülse, wo sie einmal in Decken gehüllt gelegen und Schlosserfett, Kaffee und frisch gesägtes Holz gerochen hat.
    Wo sie, wie ihr plötzlich bewusst wird, manchmal glücklich gewesen ist – glücklich in dem Sinne, dass sie irgendwie vollständig war und bereit für das, was ein neuer Tag bringen mochte.
    Und sie weiß, dass sie es jetzt nicht mehr ist und es kaum ge-merkt hat, als sie es war.
    Sie zieht die Schultern hoch, schmiegt sich in den Panzer von Skinners Jacke, stellt sich vor, wie sie weint, obwohl sie weiß, dass sie es nicht tun wird, und klettert wieder hinunter.
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BOOMZILLA
    oomzilla sitzt auf dem Randstein neben dem Wagen, den er B bewachen soll – die beiden Schnepfen haben gesagt, er kriegt Geld dafür. Wenn die nicht wiederkommen, holt er sich jemand, der ihm hilft, und räumt ihn aus. Diesen Roboterballon hätt er gern, den von der blonden Schnepfe. Der ist geil. Den so rum fliegen lassen.
    Die andre Schnepfe hat wie ‘ne Bikerbraut ausgesehn mit ihrer großen alten Jacke, ‘nem Ding wie aus der Mülltonne gefischt.
    Hat ausgesehn, als könnt sie einem ordentlich in den Arsch treten.
    Wo bleiben die bloß? Hunger jetzt, der Wind weht ihm Sand ins Gesicht, Regen.
    »Hast du dieses Mädchen gesehen?« ‘n Weißer, Hollywood-Typ, Gesicht dunkel angemalt, wie sie’s an der Küste machen. Klamotten von jemand, der Zeit hat, drüber nachzudenken, was er anzieht, wenn er hierher kommt, alles grade richtig abgetragen.
    Lederjacke, als hätt er seinen alten Flieger gleich um die Ecke.
    Blue-Jeans. Schwarzes T.
    Also er, Boomzilla, er würd’ kotzen, wenn jemand ihn in so ‘nen Müll stecken wollte. Boomzilla weiß, was er anzieht, wenn er mal ganz oben ist.
    Boomzilla gafft auf den Printout, den ihm der Mann vor die Nase hält. Sieht die Bikerschnepfe, aber mit besseren Klamotten.
    Boomzilla blickt in das gefärbte Gesicht hinauf. Richtig hell, die blauen Augen da drin. Etwas sagt: kalt. Etwas sagt: Verarsch mich nicht.
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    Boomzilla denkt: Der hat kein’ Schimmer, dass es denen ihre Karre ist.
    »Sie ist

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