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Fyn - Erben des Lichts

Fyn - Erben des Lichts

Titel: Fyn - Erben des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Kühnemann
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durch den gesamten Körper fuhr. »Mach dir keine Sorgen, deine Ehre ist nicht angetastet worden.« Sie betonte das Wort gewollt abfällig und ich hörte den Spott aus ihrer Stimme heraus. Mittlerweile kannte Ylenia mich einfach gut genug, um zu wissen, dass ich in einem Korsett aus festgefahrenen moralischen Ansichten steckte. Arcs Bestehen auf Erhaltung meiner Würde verwunderte mich dennoch. Der Technoid kam mir immer menschlicher vor.
    »Also, was ist nun?«, ergriff Ylenia erneut das Wort. »Kommst du mit mir in den Norden?«
    Ich überlegte eine Weile, und Ylenia gab mir die Zeit, die ich dazu benötigte. Was hielt mich noch hier? Was hielt mich generell bei den Alven? Hatten sie mir je Liebe entgegengebracht? Hatte Breanor mich je geliebt? Würde ich irgendetwas vermissen, wenn ich in ein primitives Menschendorf zog? Meine technischen Studien schossen mir in den Kopf. Ja, die würde ich vermissen. Fortschritt und Technik, meine Liebe zur Wissenschaft. Aber es war ein vergleichsweise geringer Preis für ein unbeschwertes Leben. Vermutlich hatten die Menschen im hohen Norden noch nie etwas von dem berüchtigten schwarzhaarigen Alven gehört. Möglich, dass sie überhaupt noch nie einen Alven zu Gesicht bekommen hatten. Elvar und der Weißen Liga gegenüber empfand ich nur brodelnden Hass und Rachegelüste. Sie hatten mich benutzt, gedemütigt und zu einem Leben gezwungen, das ich mir nicht ausgesucht hatte. Zu guter Letzt hatten sie mir einen bösen Streich gespielt, den ich beinahe mit dem Leben bezahlt hätte. Ich tröstete mich mit dem Versprechen vor mir selbst, irgendwann zurückzukehren und zumindest einen von ihnen eigenhändig zu töten, langsam und qualvoll. Breanor hatte mich zu einer Maschine erzogen, zu einem Werkzeug. Jetzt war es an der Zeit, meine eigenen Entscheidungen zu treffen.
    Eine Hand legte sich auf meine Schulter. Ich erschrak, und Ylenia starrte mich an, als hätte ich nicht mehr alle beisammen. Ein Gesicht näherte sich meinem Kopf von hinten. Die schlohweißen Haare kitzelten auf meiner Wange. »Geh mit der Kleinen«, flüsterte Norrizz. »Geh in den Norden, ich sehne mich nach Abenteuern.« Er gluckste, dann verschwand er jäh wieder.
    »Du bist so blass, geht es dir gut?«, fragte Ylenia.
    »Ja, mir geht es gut.« Ich schüttelte den Schrecken ab. »Wir gehen nach Norden.«

    Wir entschieden, noch einen weiteren Tag in der kleinen Hütte zu bleiben. Durch die Ritzen pfiff der Wind, das Dach wies Löcher auf und der feuchte Lehmboden im Inneren zeugte von wiederholtem Wassereinbruch. Doch das Wetter zeigte sich – für Elvar recht ungewöhnlich – von seiner schönen Seite. Ein wolkenloser Himmel und angenehme Temperaturen sorgten für eine halbwegs behagliche Nacht. Ich vermutete, dass die Hütte schon lange niemandem mehr gehörte. Früher hatte man hier vielleicht Feuerholz oder Viehfutter gelagert.
    Die Enge bereitete mir indes Probleme. Obwohl ich Ylenias Angaben zufolge fast drei Tage im Koma gelegen hatte, fühlte ich mich alles andere als erholt. Meine Muskeln brannten und ein dumpfes Pochen im Schädel ließ mich nicht zur Ruhe kommen. Ich drängte mich in eine Ecke der Hütte, mit dem Rücken an die Wand gelehnt. Die Beine konnte ich nicht ausstrecken, weil ich Ylenia dabei aus ihrer Ecke verdrängt hätte. Sie schlief zusammengerollt und mit dem Gesicht von mir abgewandt. Ich lauschte ihren ruhigen und gleichmäßigen Atemzügen. Arc saß vor die Tür und übernahm die Nachtwache, was angesichts der Tatsache, dass der Technoid niemals schlief, nur logisch erschien.
    Unser Gepäck lagerte zwischen uns, teils nutzten wir es als Kissen, teils als Stütze für die Beine. Es roch penetrant nach Viehmist und Heu. Ich war dankbar für eine letzte Nacht der Ruhe, ehe wir uns am Morgen in ein neues Abenteuer stürzen würden. Leider quälte mich Schlaflosigkeit. Unausgeruht reiste es sich wesentlich beschwerlicher, aber der Schlaf wollte sich einfach nicht einstellen. Stattdessen grübelte ich über alles nach, was mir in der Zeit vor meinem Koma zugestoßen war. Ich wollte nicht darüber nachdenken, lebendig begraben gewesen zu sein, doch ich bildete mir ein, den Geruch von kalter Graberde auf meiner Haut wahrzunehmen. Es war gewiss nur ein Streich meiner Fantasie, doch die Vorstellung, wie ich nach Menschenart unter der Erde gelegen hatte, bescherte mir ein Übelkeitsgefühl. Ich war mir nicht sicher, ob mich das grausige Beerdigungsritual der Menschen, oder die Tatsache, dass

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