Fyn - Erben des Lichts
zuverlässig.
Ylenia schüttelte vehement den Kopf. »Nein, das denke ich nicht. Ich habe schon vor einigen Wochen zum Ende dieses Monats gekündigt. Mein Lohn wurde mir ausgezahlt, und ich habe mich offiziell verabschiedet. Ich bin nur deshalb noch geblieben, weil der Tod des Königs und deine Inhaftierung mich zurückgehalten haben.«
Ein schmerzhafter Stich schoss mir in die Brust. Ich fühlte mich hintergangen, obwohl Ylenia mir nichts schuldete. Sie war eine freie Bürgerin und konnte gehen, wohin sie wollte. Dennoch nahm ich es ihr übel, dass sie mir nie von ihren Plänen erzählt hatte.
»Du wärst also gegangen, ohne dich von mir zu verabschieden?«, stieß ich hervor.
Sie machte eine beschwichtigende Geste. »Ich hätte dir Lebewohl gesagt, wenn man dich zuvor nicht eingesperrt hätte.«
»Dann hat dir unsere Freundschaft nie etwas bedeutet?« Als die Frage heraus war, kam sie mir bereits lächerlich vor. Freundschaft , was war das überhaupt? Ein gelegentlicher Plausch zwischen Küche und Flur?
Ylenia verdrehte die Augen. »Ich habe dir doch gerade den Grund genannt, weshalb ich dich überhaupt aus der Erde geschaufelt habe, oder? Ich …«, sie suchte nach Worten, »… mag dich. Ich hätte den Kontakt nie abreißen lassen können.«
Eine heiße Woge der Erleichterung durchflutete mich. Ich verspürte den Wunsch, sie zu umarmen, aber ich brachte es nicht fertig. Körperliche Nähe war mir fremd, und sogleich tat ich mein Verlangen als unreif ab. Ich war als Soldat erzogen worden und nicht als sentimentale Heulsuse.
»Wohin hättest du gehen wollen?«, fragte ich. »Du kannst nicht zurück nach Burg Denfolk.«
»Ich habe lange mit dem Gedanken gespielt, weit nach Norden zu gehen.« Zwischen ihren Brauen bildete sich eine Falte. Sie gefiel mir besser, wenn sie nicht die unnahbare Zicke spielte. »Nicht dorthin, wo der Krieg getobt hat, sondern noch weiter nordwärts. Ich habe gehört, dort gäbe es kleine Menschensiedlungen. Sie leben dort im Einklang mit der Natur, weitgehend ungestört von politischen Ränkespielen. Die Gegend ist seit jeher uninteressant für die Alven. Die Böden sind schlecht, das Wetter rau. Dort kann man ein friedliches Leben führen.«
Ihr Blick suchte den meinen, wohl um in meinem Gesicht meine Meinung zu ihrer Idee abzulesen, aber ich zog nur die Augenbrauen hoch. Ylenia wollte in die Wildnis gehen? Die exzentrische, modebewusste Ylenia, die so sehr von den technischen Errungenschaften Elvars geschwärmt hatte? Mir fiel es schwer, ihren Worten Glauben zu schenken. Mein Blick glitt ihren Körper hinab, ich betrachtete das sorgsam gebügelte, feine Schürzenkleid. Auch ihr ordentlich frisiertes Haar erweckte nicht den Eindruck, als wollte sie auf eine lange und beschwerliche Reise gehen.
Vielleicht deutete sie meinen fragenden Blick richtig, denn die fügte an: »Natürlich ist das nur so ein Gedanke.« Sie kicherte. »Ich will den Kontakt zu dir nicht abreißen lassen, und daran halte ich fest. Wäre ich nach Norden gegangen, wäre mir nichts anderes übrig geblieben. Das hat mich bislang davon abgehalten, meine Überlegungen in die Tat umzusetzen.«
»Was soll aus mir werden? Ich kann nirgendwo mehr hin, wo man mich kennt.« Als ich die Worte aussprach, wurde mir schlagartig deren Tragweite bewusst. »In Elvar kann ich unter keinen Umständen bleiben. Auch reizt es mich nicht, in eine Menschenstadt zu gehen.«
Ylenias Lippen wurden schmal und Zorn blitzte in ihren Augen auf. »Weshalb nicht? Bist du dir noch immer zu fein für menschliche Gesellschaft?« Da war sie wieder: Ylenia, die Zicke. »Du befindest dich nicht in der Position, um Ansprüche zu stellen. Du solltest nicht nur dorthin gehen, wo dich niemand kennt, sondern vor allem dorthin, wo niemals jemand nach dir suchen wird. Fyn, du bist tot ! Ganz Elvar feiert den Tod des Königsmörders. Wenn du je Frieden finden willst, dann solltest du mit deiner Vergangenheit brechen, und zwar komplett. Nie wieder darfst du jemandem begegnen, der dich kennen könnte.« Sie hob tadelnd den Zeigefinger. »Leider fällst du auf wie ein bunter Hund. Du bist der berüchtigte schwarzhaarige Alve, eine Laune der Natur, die sich mittlerweile herumgesprochen haben müsste. Es gibt nur einen einzigen Alven wie dich. Man wird dich fast überall erkennen. Oder sollen wir dir die Ohren abschneiden, um deine Herkunft zu vertuschen?«
Instinktiv griff ich mir mit der Hand ans Ohr. Ylenias Worte trafen mich wie Schläge in die
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