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Fyn - Erben des Lichts

Fyn - Erben des Lichts

Titel: Fyn - Erben des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Kühnemann
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würden, die nächste Etappe unserer Reise bequem auf einem Wagen zurücklegen zu dürfen. Ich hatte das Empfinden, Mr. Brody auszunutzen. Er war ein armer Bauer ohne Hoffnung, leider auch ein äußerst abergläubischer, wie sich herausstellte. Er ließ sich von Ylenia in den Handflächen lesen und war überglücklich zu hören, dass sich seine finanzielle Situation bald bessern würde. Ich stellte mir die Frage, ob tatsächlich etwas verkehrt daran war, ihn in dem Glauben zu lassen. Er fühlte sich offensichtlich besser.
    Als die Sonne bereits lange Schatten warf, lenkte Mr. Brody seinen Wagen auf den Schwebenden Harry . Die Plattform maß fast zehn Yards in der Breite sowie in der Länge – ich hatte sie nicht so groß in Erinnerung behalten.
    Neben unserem Wagen fanden sich noch drei weitere Reisende ein, einer davon zu Pferd. Der Wärter der Südstation betätigte einen Hebel, woraufhin sich das Amovium zischend in Bewegung setzte. Ich staunte wieder einmal über den Fortschritt der Technik, obwohl ich mit allem vertraut sein sollte, was die modernen Zeiten an Errungenschaften mit sich brachten. Ich vermisste meinen Werkzeugkasten. Ebenso vermisste ich meine Forschungsprojekte und Bücher, aber ich verbot mir den Gedanken. Nichts, das mich an meine Vergangenheit erinnerte, sollte mir noch etwas bedeuten.
    Langsam und knarrend bewegten wir uns auf das nördliche Ende der Schlucht zu, und ich hatte das Gefühl, nun den endgültigen Schritt in ein neues Leben zu tun. Niemals zuvor hatte ich mich so weit vom Perlenturm entfernt. Eine ungewisse Zukunft breitete sich vor mir aus. Als wir auf der anderen Seite den Schwebenden Harry verließen, fühlte ich mich leicht und befreit.
    Wir fuhren noch eine Weile über eine festgetretene Lehmstraße Richtung Norden, ehe wir uns ein Nachtlager am Wegrand bereiteten. Mr. Brody schlief unter seinem Wagen, während Ylenia und ich unser Zelt aufschlugen. Arc übernahm wie immer die Wache. In dieser Nacht schob ich alle unangenehmen Gedanken von mir. Ich genoss Ylenias Körperwärme, als sie sich an mich schmiegte. Es war, als hätte ich meine von Kindesbeinen an eingeimpften Moralvorstellungen auf der Südseite der Schlucht zurückgelassen. Mir war es plötzlich egal, dass Ylenia ein Mensch und ich ein Alve war, und so ließ ich zu, dass ihre kleinen Hände unter mein Hemd fuhren und mir über die Brust strichen, bis mich der Schlaf übermannte.
    Die Ereignisse des folgenden Tages sind kaum die Tinte wert, sie niederzuschreiben. Wir polterten über schlecht planierte Straßen, bis mir auf der Ladefläche von Brodys Wagen übel wurde. Ein Glück, dass ich mir meine Würde bewahrte und mich nicht übergeben musste. Ylenia hätte mich die ganze Fahrt über damit aufgezogen. Ansonsten zeigte sich der Tag ereignislos. Zwei Mal rasteten wir, und das Einzige, das mir noch erwähnenswert erscheint, ist die wunderschöne Landschaft, die unsere Augen erfreute. Es waren nicht die saftigen grünen Wiesen des Südens, sondern von Moos bewachsene Gesteinsformationen und Täler, in denen sich Nebel sammelte sowie hohe Tannen, unter deren dichtem Nadelwerk es stets Nacht zu sein schien. Die Gegend war von einer atemberaubenden Wildheit, die mir imponierte. Auch das Klima hatte sich gewandelt. Die Luft roch sauber und frisch. Schon bald war ich froh, dass Ylenia an reichlich Decken und Kleidung gedacht hatte.
    Am Abend erreichten wir endlich Evensedge, die größte Stadt des Nordens. Eine Stadt, die nicht recht in die Landschaft passen wollte. Es wirkte, als hätte ein Riese sie woanders herausgerissen und hierher versetzt. Wo vor Augenblicken noch raue Natur das Landschaftsbild dominierte, hatte man mit nur einem einzigen Schritt eine Stadt betreten, sodass es einem einen Schrecken einjagte, wenn man sich plötzlich mit dem Lärm Hunderter Menschen konfrontiert sah. Es hatte keine Dörfer gegeben, die die dichtere Besiedlung angekündigt hätten, noch sonst irgendetwas, das einen auf diesen Moment vorbereitete. Lediglich die höhere Anzahl Wagen und Reisender auf den Straßen hatten mich vermuten lassen, dass wir bald eine Stadt erreichen würden. Nach den Tagen in einsamer Natur raubte mir der Anblick hoher Häuser, polternder Kutschen und bunter Schaufenster schlichtweg den Atem. Und das behauptet jemand, der in Elvar aufgewachsen war! Verwunderlich, wie schnell man sich an neue Lebensumstände gewöhnte.
    Mr. Brody lenkte seinen Wagen kurz hinter den Stadttoren in eine ruhige Nebenstraße. Er

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