Fyn - Erben des Lichts
es nicht wert gewesen, darüber detailliert zu berichten, aber vielleicht lohnt es sich dennoch zu erwähnen, dass Ylenia und ich uns in jener Nacht um eine Erfahrung bereicherten. Wir stellten uns beide ungeschickt an, doch das angeborene Wissen um etwas, das wesentlich älter war als wir, leitete uns. Es lässt sich schwerlich beschreiben, ähnlich wie der Duft ihres Haares und der Geschmack ihrer Haut. Niemals hatte ich es mir so vorgestellt. Freilich hatte ich gehört, wie Männer mit einem dummen Grinsen im Gesicht darüber berichteten. Die Huren von Elvar versuchten permanent, sie in die Bordelle zu locken. Ich hatte mir immer jeglichen Gedanken daran verboten. Vielleicht war es gut, dass ich vollkommen ohne Erwartungen an die Sache heranging. Die Liga hatte es immer gekonnt verstanden, mich von der Damenwelt fernzuhalten, und Breanor hatte immer in einem Ton darüber gesprochen, als wäre es etwas Widerliches und Schändliches. Er wusste genau, wie sehr ich Dreck und Schmutz hasste, weshalb er diese Beschreibungen gekonnt benutzt hatte, um mich zu manipulieren. Aber ich konnte nun mit Fug und Recht behaupten, es hatte rein gar nichts Dreckiges an sich, nur etwas unbeschreiblich Schönes. Ich hätte alles dafür gegeben, für den Rest meines Lebens in dem wohligen Nest aus zerwühlten Decken liegen zu bleiben. Als wir erschöpft in die Kissen sanken, war draußen bereits tiefste Nacht.
Ich bekam nicht einmal etwas von Arcs Rückkehr mit, denn als ich das nächste Mal die Augen aufschlug, fiel Sonnenlicht durch die Ritzen der geschlossenen Fensterläden. Der Technoid hockte mit angezogenen Beinen in der Zimmerecke. Ylenia war bereits angekleidet und machte sich daran, unser Gepäck in die Rucksäcke zu stopfen. Wir sprachen kein Wort über die Vorkommnisse in der Nacht, und eine Weile glaubte ich, lediglich geträumt zu haben.
Ehe ich mich versah, setzten wir unsere Reise fort. Ich fühlte mich wach und erholt, auch das Frühstück, das wir uns im Gasthaus vor unserer Abreise gönnten, verhalf mir zu neuer Stärke. Noch bevor die Sonne den Zenit erreichte, lag Evensedge hinter uns. Wir befanden uns wieder auf der Großen Straße, und nach nur ein oder zwei Meilen hatten wir die Spuren menschlicher Besiedlung hinter uns gelassen. Evensedge erschien mir wie ein Traumgebilde, denn die Natur zeigte sich wieder so wild und ungezähmt, als hätte es unseren Ausflug in die Stadt nie gegeben.
Am Nachmittag erreichten wir eine Stelle, um die ich am liebsten einen großen Bogen geschlagen hätte. Obwohl sich jemand bemüht hatte, zumindest die Straße von Leichenteilen und Metallschrott zu säubern, konnte man die Spuren des Kampfes noch deutlich erkennen. Einige Stellen der festgetretenen, von Kieselsteinen durchzogenen Straße waren bräunlich verfärbt, was mich zu der Annahme führte, dass dort Blut vergossen worden war. Ich fand mehrere Patronenhülsen, dazu abgebrochene Schwerter und sogar Mistgabeln. Nachdem Ylenia im hohen Gras neben der Straße einen halb verwesten Arm erspähte, bestand für mich kein Zweifel mehr – hier hatte der Krieg sein scheußliches Gesicht gezeigt. Es schockierte mich, dass die Truppen des Königs überhaupt so weit in den Norden vorgedrungen waren. Vermutlich hatten sie sich hier mit einer Horde aufständischer Bauern duelliert. Ich war mir sicher, dass die königlichen Soldaten nicht lange dafür benötigt hatten, die Nordmänner zu besiegen. Wie weit würden wir noch gehen müssen, um diese hässliche Seite Calaniens endlich hinter uns zu lassen? Ylenia machte entgegen ihrem Naturell einen seltsam betretenen Eindruck, als wir andächtig innehielten und den Blick über diesen Ort des Grauens schweifen ließen. Von den alvischen Soldaten waren nahezu alle aus dem Blitzkrieg heimgekehrt, was mich zu der Annahme führte, dass sie den menschlichen Kämpfern haushoch überlegen gewesen sein mussten. Hatte Breanor nicht erzählt, sie hätten kampflos kapituliert? Die alvischen Soldaten schienen dem Krieg entgegen seiner Behauptung jedoch mit roher Gewalt ein Ende gesetzt zu haben. Gegen ihre hoch entwickelten Kriegsmaschinen waren ein paar mit Piken und Mistgabeln bewaffnete Menschen chancenlos gewesen.
»Ich habe etwas gefunden.« Arcs Stimme drang aus einem Dornengebüsch, etwa zehn Yards abseits der Straße. Erst jetzt kehrte ich mit den Gedanken in die Realität zurück. Ich wandte ihm den Kopf zu.
»Was hast du gefunden?«
»Ein Auto.«
»Ein Auto?« Ylenia antwortete, noch ehe
Weitere Kostenlose Bücher