Fyn - Erben des Lichts
Aufmerksamkeit wieder auf die Realität.
»Ach ja?« Die Worte waren heraus, ehe der Verstand sie geformt hatte. Mir war bewusst, wie trotzig und frech ich wirkte.
Vater zog für einen Augenblick die Augenbrauen hoch, ehe seine Miene sich verfinsterte. »In diesem Ton hast du lange nicht mit mir gesprochen, Bürschchen. Ich hatte schon die Hoffnung, du wärest endlich erwachsen geworden.« Seine Worte schnitten scharf wie eine Klinge, und als ebenso schmerzhaft empfand ich sie.
»Du wirst dir dein aufbrausendes Verhalten abgewöhnen müssen«, fügte er an. Bla, bla, bla. Immerzu dieselben Vorwürfe, seit so vielen Jahren. Ich versuchte, mich innerlich dagegen zu verhärten. Er bedachte mich mit einem mahnenden Blick, doch ich verzog keine Miene. Wenn er glaubte, mir eine Reaktion entlocken zu können, hatte er sich getäuscht.
Nach einem Augenblick des Schweigens ergriff er erneut das Wort. »Dir ist sicherlich nicht entgangen, dass Evensedge gefallen ist, oder?« Er formulierte seine Worte als Frage und sah mich erwartungsvoll an. Ich hatte nicht davon gehört. Und ehrlich gesagt, es war mir egal. Mittlerweile war mir so ziemlich alles egal, denn man legte ohnehin keinen Wert darauf, mich am Krieg zu beteiligen. Daher verzog ich noch immer keine Miene.
»Nun, jedenfalls haben die Menschen dort bedingungslos kapituliert – bevor wir anfingen, sie zu beschießen.«
In seiner Stimme schwangen Stolz und Belustigung mit. Er ignorierte mein offensichtliches Desinteresse. »Der angebliche Erbe des Hauses Claight existiert überhaupt nicht.« Er machte eine wegwerfende Handbewegung. »Vermutlich haben sich die Lords des Nordens das nur ausgedacht, um den Menschen einen Grund zu geben, sich unter ihrem Banner zu vereinen. Ich bin mir sicher, dass der Krieg noch diesen Sommer ein vorzeitiges Ende finden wird. Der Norden steht kurz vor der Kapitulation. Sie werden angekrochen kommen wie geprügelte Hunde, wenn wir ihnen erst gezeigt haben, wer der wahre König ist. Ich bin mir sicher, dass eine Menge Köpfe rollen werden, denn Castios wird ihnen den feigen Anschlag nicht verzeihen.« Breanors Augen leuchteten, wie ich es selten bei ihm beobachtet hatte. Für gewöhnlich hielt er seine Emotionen am kurzen Zügel.
»Und was hat das mit mir zu tun?«, stieß ich harscher als beabsichtigt hervor.
»Nichts. Das war auch nicht der Grund, weshalb ich dich habe rufen lassen. Aber ich dachte, es würde dich vielleicht interessieren.«
Wieder einmal siegte der Trotz über den Verstand. »Weshalb sollte mich etwas interessieren, an dem ich unbeteiligt bin?« Vaters Augen wurden schmal vor Zorn, doch ich war noch nicht fertig. »Glaubst du, ich merke nicht, dass ich unerwünscht bin?« Ich redete mich in Rage, es war unmöglich, jetzt noch einzulenken. »Ich bin der einzige Soldat, der nicht am Krieg teilhaben durfte, nicht im Geringsten! Ich lasse mich nicht länger für dumm verkaufen. Woran liegt es? Habt ihr endlich herausgefunden, dass ich an der Akademie auf ganzer Linie versagt habe?«
Vaters erschrockener Blick verriet mir, dass er nichts davon geahnt hatte, und sogleich bereute ich meine Offenheit. Seit jeher fürchtete ich mich, ihn zu enttäuschen, und jetzt warf ich ihm die Gründe dafür direkt vor die Füße.
»Sei nicht albern, Fynrizz«, zischte er. Wenn er die Stimme senkte und mich bei meinem vollen Namen nannte, war Vorsicht geboten, denn auch mein beherrschter Vater neigte gelegentlich zu cholerischen Ausbrüchen. Ungern erinnere ich mich an die Prügel, die ich als Kind bezogen hatte.
»Niemand zweifelt an deinen Fertigkeiten«, fuhr er fort. »Genau das ist der Grund, weshalb Castios dich aus allem herausgehalten hat.«
»Wie bitte?«
Breanors Schlag mit der flachen Hand auf die Tischplatte ließ mich zusammenzucken. »Du hast mich schon verstanden. Castios beabsichtigt, dich in seine Leibgarde aufzunehmen. Er wollte in jedem Fall vermeiden, dass dir in diesem sinnlosen Krieg, der schon vorüber war, ehe er überhaupt richtig angefangen hatte, etwas zustößt.«
Ich konnte mich in diesem Augenblick zwar nicht sehen, dennoch war ich mir sicher, dass mir sämtliche Farbe aus dem Gesicht wich. Ich starrte Vater mit offenem Mund an und musste dabei ausgesehen haben wie ein Schwachsinniger. Für die Dauer eines Herzschlags kam mir die Idee, er könnte sich einen Scherz mit mir erlauben, doch dann fiel mir ein, dass Vater nicht zu scherzen pflegte. Nie. Zudem sein grimmiger Gesichtsausdruck den Eindruck
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