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Fyn - Erben des Lichts

Fyn - Erben des Lichts

Titel: Fyn - Erben des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Kühnemann
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zuckte. Erneut stoben die Fliegen auf. Ich trat einen weiteren Schritt zurück, hielt den Arm jedoch oben und damit die Verbindung aufrecht. Die Katze drehte sich auf den Bauch und streckte sich. Ihr verwesendes Fleisch flatterte um ihren Körper wie ein Gewand aus Lumpenstreifen. Hier und da konnte man durch die kahlen Stellen im Fell den blanken Knochen sehen. Sie wandte mir den Kopf zu. Leere schwarze Augenhöhlen, in denen Insekten herumkrochen, starrten mich an. Ich würgte und unterdrückte den Brechreiz. Mit einem mentalen Befehl brachte ich die Katze dazu, sich zu entfernen. Sie stellte sich neben den Schrotthaufen, brach dort zusammen und blieb reglos liegen. Ich schüttelte mich. Es funktionierte also nach wie vor. Schon als Kind verfügte ich über die seltsame Gabe, Tote für eine Weile ins Leben zurückzurufen, doch ich hatte über Jahre hinweg keinen Gebrauch von dieser düsteren Art der Magie gemacht. Die einzige Magie, die ich beherrschte. Eine Ironie des Schicksals.
    Ich wandte mich in der Absicht um, zurück zum Geländer zu gehen, doch direkt hinter mir stand jemand. Erschrocken blieb ich wie angewurzelt stehen. Erst mehrere Atemzüge später erkannte ich den Mann, der sich lautlos von hinten angeschlichen hatte. Sein Gesicht war nur noch ein blasser Abklatsch dessen, was mir davon in Erinnerung geblieben war, denn es war vernarbt und hässlich in jedweder Hinsicht. Ein zweiter Schreck fuhr mir durch die Glieder.
    »Wer bist du wirklich?«, zischte er mit kalter Stimme. Im ersten Moment verstand ich seine Frage nicht, dann wurde mir bewusst, dass er gesehen haben musste, wie ich die tote Katze zum Leben erweckt hatte. Der dritte Schreck innerhalb weniger Sekunden riss mich fast von den Beinen.
    Ich starrte Myrius an wie ein in Schockstarre verfallenes Tier. Seit dem Tag, an dem die Akademie des Königs für immer ihre Pforten geschlossen hatte, war ich ihm nicht mehr von Angesicht zu Angesicht begegnet. Er hatte sich verändert. Noch immer trug er üppige Magiergewänder, aber er stand gebeugter als zuvor. Sein Kopf war kahl und seine Augen kleine Schlitze in einem von Narben entstellten Gesicht.
    »Sieht nett aus, nicht wahr?«, sagte Myrius, als hätte er meine Gedanken gelesen.
    Ich erwiderte nichts, denn ich konnte meiner Stimme nicht trauen. Vermutlich hätte ich gestottert. Mein Blick glitt zu der Armbrust hinüber, die noch immer gespannt und zum Abschuss bereit auf dem Geländer lag. Das Herz hämmerte wie eine Kriegstrommel in meiner Brust. Niemand außer uns beiden befand sich hier draußen, und vom Perlenturm aus konnte man den Schießstand nicht sehen. Wir waren allein, und Myrius hätte leichtes Spiel gehabt, wenn er beabsichtigte, mich zu töten. Er hatte es schon einmal versucht. Ich fragte mich, wie viel von unserer letzten Begegnung ihm in Erinnerung geblieben war und ob er mich für die Ereignisse verantwortlich machte. Ich kam zu dem Schluss, dass Myrius es längst König Castios gepetzt hätte, wenn ihm etwas von den Vorfällen im Keller der Akademie im Gedächtnis haften geblieben wäre.
    »Weiß dein Vater, was du hier treibst? Es bedarf einer sehr schwarzen Seele, diese Art von Magie zu wirken.« Er lachte, verschluckte sich dabei und hustete. »Und ich hatte immer gedacht, du bist ein magischer Krüppel.«
    »Ich kann nichts für meine Talente.« Ich bemühte mich, möglichst selbstsicher zu klingen.
    »Ein Mann hat die Freiheit zu entscheiden, welche Talente er fördern möchte. Was du gerade getan hast, ist verwerflich. Du bist ein dummer kleiner Heuchler, der sich seinen Platz in der Leibgarde des Königs erschlichen hat.«
    Aha. Daher wehte also der Wind. Myrius hatte von den Plänen des Königs gehört, mich in den engsten Kreis seiner Vertrauten zu erheben. Er wollte sich seinen zukünftigen Konkurrenten anscheinend einmal aus der Nähe ansehen. Am liebsten hätte ich ihm ins entstellte Gesicht gesagt, dass ich nicht beabsichtigte, in den Palast umzuziehen. Er durfte gern der alleinige Speichellecker von Castios bleiben. Doch ich schaffte es irgendwie, mir auf die Zunge zu beißen.
    »Du streitest es also nicht einmal ab?«, fragte Myrius, nachdem eine längere Pause eingetreten war. Er senkte bedrohlich die Stimme. »Ich schwöre dir, sollte ich mich je daran erinnern, was am letzten Tag der Prüfungen geschehen ist, werde ich dafür sorgen, dass man dich foltern und verbrennen wird. Die Ausübung schwarzer Magie wird mit der Todesstrafe geahndet, und allmählich

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