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Fyn - Erben des Lichts

Fyn - Erben des Lichts

Titel: Fyn - Erben des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Kühnemann
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Kopf. Ich griff nach der Armbrust und dem Köcher, klemmte mir beides unter den Arm und trat zurück auf den Flur. Die Enge meines Zimmers lähmte meine Kreativität. Ich musste eine Lösung für mein Problem finden.
    Das Gewicht der Waffe unter meinem Arm fühlte sich unsagbar gut an. Noch immer war sie mein ganzer Stolz, ein Meisterwerk.
    Auf dem Weg zum Schießstand fragte ich mich, ob der König mir als Leibwächter erlauben würde, meine technischen Studien fortzuführen. Ich verzog den Mund zu einem Lächeln. Breanor würde niemals zulassen, dass ich sie vernachlässigte. Womöglich würde er von mir verlangen, neben meinen Pflichten als Gardist auch noch als Ingenieur tätig zu sein. Er würde nicht müde werden, mich anzutreiben, auch, wenn mir keinerlei Freizeit mehr vergönnt wäre. Vermutlich würde es ihm in die Karten spielen, denn er missbilligte meinen Kontakt zu Ylenia. Ich würde nicht mehr die Zeit finden, sie zu besuchen.
    Weil ich keinen Mantel trug, fröstelte ich, als ich den Schießstand erreichte. Der Frühling verdrängte die kalten Luftmassen zwar allmählich nach Norden, doch noch immer wehte ein frischer Wind. Die ersten zartgrünen Knospen zeigten sich an den Zweigen der Bäume, und auch in den Beeten streckten einige Pflanzen ihre Köpfe vorwitzig aus der Erde. Es war ein wolkenverhangener Tag, der Himmel präsentierte sich in einer gleichförmig grauen Farbe. Es roch nach feuchter Erde.
    Ich legte meine Armbrust auf das hölzerne Geländer, das den Schießstand umgab, ging in den angrenzenden Schuppen und durchsuchte eine Kiste mit Zielscheiben in den verschiedensten Größen und Formen. Ich entschied mich für ein Zielfeld in Form eines Menschen, lebensgroß und aus Papier. Lächelnd bedauerte ich, keinen Stift mitgenommen zu haben, um dem Pappkameraden Vaters Namen auf die Brust zu schreiben. Ein Vorhaben, das nur in meiner Vorstellung für Belustigung sorgte, denn ich hätte den Mut nicht aufgebracht, es in die Tat umzusetzen, zumal mich jemand hätte beobachten können.
    Ich befestigte die Zielscheibe an einer dafür vorgesehenen Halterung in fünfzig Yards Distanz zum Schützenstand. Meine vortreffliche Waffe vermochte sogar über noch größere Distanzen zu treffen. Doch ich wollte sicher sein, all meine Wut an dem Mann aus Papier auslassen zu können. Jeder Schuss ein Treffer! Ha!
    Ich ignorierte den kalten Wind und trat hinter das Geländer, von wo aus ich meine Bolzen verschießen würde. Als ich die Armbrust aufnahm, stellte ich fest, dass der lederne Schulterriemen einen tiefen Riss aufwies. Ich entfernte den Gurt und warf ihn auf einen Schrotthaufen neben dem Schießstand. Zerbrochene Pfeile, unbrauchbare Waffenteile und allerhand anderer Kram hatten sich im Laufe der Zeit dort angesammelt. Ich nahm mir vor, noch am selben Tag der Sattelkammer einen Besuch abzustatten, um nach einem neuen Gurt zu suchen.
    Kaum dass ich den ersten Bolzen einlegte und den Mechanismus spannte, wurde mein Vorhaben erneut von einer Unannehmlichkeit vereitelt. Zwischen Geländer und Zielscheibe, genau in meiner Schusslinie, lag etwas im Gras, etwa zwanzig Yards von mir entfernt. Es war schwarz, pelzig und etwa doppelt so groß wie eine Männerfaust. Zunächst dachte ich, es wäre ein Handschuh, eine Mütze oder ein anderes Kleidungsstück, doch als ich mich näherte, bemerkte ich die Fliegen, die von dem haarigen Knäuel aufstiegen. Ich identifizierte es als die Leiche einer jungen Katze. Sie musste schon vor einer ganzen Weile gestorben sein, vermutlich schon, bevor der Schnee sie unter sich begraben hatte. Von der eisigen Kälte konserviert, schritt der Verwesungsprozess unter der Frühlingssonne nun unerbittlich fort. Ich verzog das Gesicht und rümpfte die Nase. Ekel stieg in mir auf. Ich trat einen Schritt zurück, denn totes Fleisch – sofern es nicht zubereitet auf meinem Teller lag – bescherte mir Übelkeit. Eine ganze Weile stand ich einfach nur da und beobachtete die Fliegen, die auf dem zerfallenden Katzenkörper herumkrochen und ihre Eier ablegten. Igitt. Dann durchschoss mich ein Gedanke wie der Bolzen einer Armbrust. Über Jahre hinweg hatte ich es nicht mehr versucht. Vielleicht hatte ich es sogar verlernt. Sollte ich es darauf ankommen lassen?
    Mein Mut schockierte mich, dennoch streckte ich die Hand aus und zeigte auf den toten Katzenkörper. Ein Kribbeln durchfuhr meinen Arm, als würden tausend Ameisen darauf herumkriechen. Es dauerte nur wenige Sekunden, bis der Leichnam

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