Gabe des Blutes
sie besitzergreifend und sah, wie sie das erregte, bevor sie ihm unter den Wimpern einen verstohlenen Blick zuwarf. Er sehnte sich nach ihrem Geist in diesem Moment, doch er versagte es sich, sie zu provozieren, solange andere starke ’Pathen in der Nähe waren.
Er war nicht dumm. Er war sich der Auswirkungen, die das auf sein Rudel hatte, sehr wohl bewusst, während er gegen sein Verlangen nach Mystique ankämpfte. Er wusste, dass er die Mnise noch nie so stark verspürt hatte, und er war überzeugt, dass Mystique die Ursache dafür war. Daraus resultierte der Drang, sie sich augenblicklich über die Schulter zu werfen und hinter verschlossene Türen zu schleppen, wo …
»Verdammt!«
Rye schoss aus seinem Stuhl hoch und zog die Aufmerksamkeit des ganzen Tisches auf sich. Er richtete seinen Blick auf Reule, und sein finsteres Gesicht nahm einen vollkommen überraschten Ausdruck an. Eine spürbare Welle ging durch das Rudel, bis Reule sich schließlich so weit von seinen Gedanken losriss, dass er erkannte, weshalb Rye ihn so seltsam anblickte.
»Schakale.« Reule stand hastig auf, während er das Wort wie einen Fluch ausstieß, und wandte sich genau in dem Moment zur Tür um, als Ryes Lieutenants hereinstürzten, dicht gefolgt von einem von Sabers Sergeants.
»Mein Primus! Schakale. Eine ganze Horde. Außerhalb der Mauern brennt es!«
Das Rudel setzte sich schlagartig in Bewegung, ein einschüchternder Anblick. Höfliche Umgangsformen und freundliches Lächeln waren verschwunden, und stattdessen erwachten die eiskalten Krieger zum Leben. ’Pathische Kräfte durchströmten augenblicklich den Raum, während sich alle einander öffneten, eine Kommunikationsverbindung, die ihnen so vertraut war wie das Atmen. Mystique konnte die Resonanz um sich herum spüren, auch wenn sie nicht so empfänglich war wie die anderen.
Reule trat kurz zu ihr, legte ihr seine großen Hände auf die schmalen Schultern und drückte sie zur Beruhigung. »Mach dir keine Sorgen. Das passiert oft. Ohne Schnee breitet sich das Feuer durch den Wind schnell über die Stoppelfelder aus, wenn wir es nicht sofort bekämpfen. Ich bin erst spät wieder zurück. Warte nicht auf mich.« Mit einem Finger strich er ihr sanft über den Nasenrücken, bevor er sie losließ und mit seinen Rudelgefährten hinauseilte.
Minutenlang betrachtete sie den verlassenen Raum, bevor sie ihren offen stehenden Mund schloss und sich empört schüttelte.
»Zum Teufel!«
Sie raffte ihr Kleid und rannte zur Treppe. Während sie ihr Korsett und die selbstherrlichen Männer verfluchte, stürmte sie in ihre Gemächer und erschreckte Pariedes zu Tode. Sie griff nach den Korsettschnüren und löste sie mit fliegenden Händen.
»Ich brauche eine Hose. Die von einem Jungen müsste mir passen«, keuchte sie, während sie sich aus dem Überkleid wand und die traumhafte Kreation auf dem Boden liegen ließ, nachdem sie hinausgetreten war.
»Aber …«, begann Para.
»Para, ich will jetzt keine Diskussion! Besorg mir eine Hose und ein Hemd, oder ich schwöre dir, ich mache mich nackt auf den Weg und besorge mir die Sachen selbst!« Para schloss rasch ihren offen stehenden Mund, als sie merkte, wie ernst ihre Herrin es meinte. »Und hol das verdammte Mädchen her, damit es mir inzwischen bei dem idiotischen Korsett hilft. Los, beeil dich!«
Pariedes hatte ihren Schützling in den letzten Tagen ziemlich gut kennengelernt, und sie hielt Mystique meistens für eine intelligente und gelassene Frau. Dies war das erste Mal, dass sie in so autoritärem Ton sprach, wie jemand, der es gewöhnt war, Befehle zu erteilen. Mit dem Ergebnis, dass Para Mystique dabei half, innerhalb von Minuten in eine bequeme Jungenhose, ein Hemd und eine Weste zu schlüpfen. Es war unschicklich, doch der Seufzer, den Mystique von sich gab, und die Art, wie sie sich anzog, verrieten, dass es nicht das erste Mal war, dass sie sich so anzog. Es war skandalös, doch Para musste zugeben, dass ihr die Verkleidung gut stand.
»Para, meine Liebe, hör mir bitte gut zu«, sagte Mystique atemlos, während sie ihr dunkelrotes Haar rasch zu einem Zopf flocht. »Auf den Feldern brennt es. Dort sind doch Bauernhöfe. Das bedeutet Verletzungen, Verbrennungen und Rauchvergiftung. Sie brauchen einen Arzt direkt vor Ort. Ich brauche Hilfsmittel. Ich hatte noch keine Zeit, Salben oder Cremes herzustellen, doch wir können Desinfektionsmittel, saubere Kleidung und Krüge mit frischem Wasser gegen den Husten besorgen.
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