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Gabriel - Duell der Engel

Gabriel - Duell der Engel

Titel: Gabriel - Duell der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kaja Bergmann
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Eltern toleriert haben, dass sie wegen mir nicht zur Schule ging. Ihre bestimmt nicht.
    Das Erste, das ich nach zwei Tagen getrunken hatte, war ein Schluck abgestandenes Wasser. Sonja hatte ihn mir eingeflößt. Das Erste, das ich gegessen hatte, war ein bisschen Schokoladeneis. Aus der Tiefkühltruhe. Das erste Mal, dass ich die Sonne wieder gesehen habe, war am Freitag um 17:30 Uhr.
    Ich stand am Fenster und blickte hinaus. Genoss es, wie die Strahlen meine Nasenspitze kitzelten. Mein Herz schlug ruhig in meiner Brust. Frisch zusammengeflickt. Der Gips konnte wohl bald gelöst werden. Neben mir Sonja. Hielt mich fest.
    Die eingerosteten Achterbahnschienen meiner Synapsen wurden langsam wieder befahrbar. In einem kleinen, zerbrechlichen Wagen in Marienkäferform kam ein Gedanke angezuckelt. Er hielt direkt vor mir. Die Bremse quietschte herzzerreißend. Doch mein Herz ließ sich davon nicht erschüttern. Es hatte schon Schlimmeres erlebt. Der Gedanke beugte sich vor, holte einen Notizblock aus seiner Hosentasche und kritzelte mit einem schlechten Werbekuli »Es wird schon wieder« darauf. Dann lächelte er mir aufmunternd zu und fuhr weiter. Irgendwohin Richtung Sonne.

Notizen
    Â 
    Was wäre, wenn ich nicht wirklich existierte? Wenn ich bloß eine Figur wäre? Eine Figur, erfunden in den dunkelsten Ecken irgendeines kranken, traurigen, fremden Gehirns? Bloß ein Gedanke? Wäre ich dann weniger real als du?

27. Mai 2012, 10:22 Uhr
    Â 
    Na, fängt meine Geschichte schon an, dich zu langweilen? Vorausgesetzt natürlich, dass du überhaupt bis hierhin gelesen hast. Wenn nicht, richte ich diese Worte an … nun, an niemanden. Kommt vor.
    Ich weiß, ich kippe ständig um und mache einen Riesenaufstand, obwohl genau genommen nichts passiert. Hiermit will ich mich in aller Form bei dir entschuldigen. Dafür, dass du dir all das antun musstest. Tut mir leid.
    Ich kann dir auch nicht versprechen, dass es noch spannender wird. Obwohl ich es glaube. Doch sicher bin ich mir nicht. Schließlich kann ich nicht in die Zukunft sehen.
    Aber hey, du kannst das Buch jederzeit zur Seite legen. Wäre mir ganz lieb. Solange du nicht das Gefühl hast, etwas verpasst zu haben. Es zwingt dich niemand. Am allerwenigsten ich.
    Wollte ich nur noch mal betonen …
    Â 
    Die Zeitung war irgendwie merkwürdig. Eine fette, um Aufmerksamkeit bettelnde Schlagzeile schrie mir »UNFÄLLE HÄUFEN SICH – Was ist los in Frankfurt?« entgegen. Während ich an meinem Kaffee nippte, fiel mir auf, dass ich Kaffee ekelhaft fand. Ich biss in mein Erdbeermarmeladenbrot mit Honig und dachte an irgendeine Zeichentrickserie für Kinder.
    Ich war allein. Sonja war nicht da. Zu Hause. Sich die Standpauke ihrer Eltern anhören. Hausarrest kassieren. Meine Eltern halfen dabei, die Strafe zu mindern. Erzählten Sonjas Eltern, dass ihre Tochter mir nur hatte helfen wollen. Dass sie die ganze Zeit über für mich da gewesen war. Dass sie stolz auf sie sein könnten. Zumindest glaubte ich, dass es sich so ähnlich abspielte.
    Alles sah unwirklich aus, wie in warme Farben getaucht. Der Sonntagmorgen, das Frühstück, die Brötchen, der Kaffee, das Ei. Sogar die Tischdecke. Alles war freundlich und gedämpft bunt. Ruhig. Nett. Wie es an einem Sonntagmorgen eben sein sollte. Durch das offene Fenster wehte ein laues Lüftchen herein und ließ das Papier in meiner Hand knistern.
    Die Zeitung wirkte mit ihrer blöden Titelstory irgendwie fehl am Platz. Obwohl ich sie eigentlich in den Mund stopfen wollte, begann ich zu lesen. Von einem Selbstmörder, der sich von einem Dach stürzte, dabei auf einen zufällig vorbeigehenden Passanten fiel und diesen mit sich in den Tod riss. Von Bahnpassagieren, die sich beschwerten, dass ihr Zug schon wieder wegen irgendeines irren, suizidalen Idioten auf den Schienen Verspätung hatte. Von einem spektakulären Autounfall. Einem Flugzeugabsturz.
    Irgendwie schien das alles zu kurios, um wahr zu sein. Die Todesursachen, die Häufigkeit; das alles war zu makaber. Zu schrecklich. Erst recht für einen unschuldigen, jungen Sonntagvormittag. Ich fing an, wieder an meinem Kaffee zu nippen, obwohl ich ihn grässlich fand.
    Die letzte Zeile stach mir in die Augen. Ich rieb sie und hoffte unwillkürlich, nicht zu erblinden, machte mir aber auch keine großen Sorgen. Es war das Zitat irgendeines imaginären Passanten:

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