Gabriel - Duell der Engel
sie konnte ich nicht leben.
»Mir gehtâs gut.« Verdammt, das überzeugte nicht mal mich selbst. Sonja löste sich aus meiner Umarmung.
»Gabriel«, ihre Stimme klang ernst und ein wenig traurig, »du bist nicht ehrlich zu mir. Bitte sag mir die Wahrheit. Lüg mich nicht an, du tust mir weh. Das ist genau wie bei Seraphin â¦Â« Ich zuckte automatisch zusammen. Konnte es nicht kontrollieren. »Seraphin?«, fragte Sonja verwundert. Ich begann zu zittern. ScheiÃe. »Gabriel, was ist denn los? Was, verdammt noch mal, läuft da zwischen euch?«
»Ich ⦠wir, also ich â¦Â« Verdammt. »Wir haben uns gestritten.«
»Was?«, fragte Sonja verwundert. »Worüber denn?«
»Ich weià nicht.«
»Du weiÃt nicht?« Sie sah in meine Augen, fand meine Seele, wollte sie mit ihrem Blick ausziehen, nur zärtlich, langsam, vorsichtig. Doch da gab es nichts mehr auszuziehen. Ich war ein offenes Buch. Zu müde, zu traurig, um es zuzuklappen. »Du weiÃt nicht«, wiederholte Sonja leise.
Ich nickte und spürte die Tränen wiederkommen. »Er kennt mich, Sonja«, schluchzte ich. »Er weià alles über mich. Wie ich mich fühle, was ich tue, wie ich bin . Wer ich bin. Und er weiÃ, wie er mich verletzen kann und glaub mir, er nutzt es aus, viel zu oft.« Ich lieà den Kopf auf ihre Schulter sinken und weinte haltlos. Hätte Seraphin noch einen letzten Rest meiner Würde übrig gelassen, hätte ich vielleicht versucht mich zusammenzureiÃen, aber da ich leer war, nichts als eine leere Hülle mit Scherben, war es mir egal. Und so heulte ich mir das erbärmliche Stückchen nackter Seele aus dem Leib, während Sonja sanft mein Haar streichelte und Dinge murmelte wie »Das wird schon gut«, »Alles ist gut«, »Ist doch nicht so schlimm«. Doch ich wusste, dass dem nicht so war. Und sie wusste es auch. Irgendwie.
»Er hat gesagt, ab jetzt wird sich alles ändern.« Meine Stimme war kaum mehr hörbar. Steckte irgendwo tief in den Scherben und drohte zu ersticken.
»Was meint er damit?«, flüsterte Sonja. Ihr Tonfall war ruhig und deutlich. Wie man mit einem Kind spricht. Oder mit einem Psychopathen.
Ich schluchzte nur und schüttelte den Kopf. »Ich weià es nicht.« Bemerkte, dass bereits Sonjas gesamte Schulter nass war. Und weinte weiter.
Sonja blieb ruhig sitzen und streichelte meine Haare. Küsste mir wortlos die Tränen von den Wangen. Blieb einfach an meiner Seite. Und als ich völlig erschöpft an ihrer Schulter lehnte, zu müde, um mich zu rühren, mein ÃuÃeres endlich mein Inneres widerspiegelte, leer und schlaff, da nahm sie meine Seele, wickelte sie vorsichtig in ein Taschentuch und bettete sie wieder zurück in meinen Körper. Und als ich endlich genug Kraft gefunden hatte, um alleine aufrecht sitzen zu bleiben, betastete sie behutsam die Splitter meines Herzens und setzte sie zusammen. Langsam. Mit unendlich viel Geduld. Ohne ein Wort. Schnitt sich. Machte trotzdem weiter.
Ich glaube, erst in diesem Augenblick konnte ich vollständig begreifen, was sie für mich bedeutete. Das Leben.
Notizen
Kein Signal
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Kein Signal. Vielleicht sollte ich meinen Fernseher mal ausschalten â er empfängt ja sowieso nichts. Das Bild ist schwarz, nur ganz klein in der Mitte steht in weiÃ: Kein Signal . Wenn er nichts senden kann, sollte ich dann nicht auf den roten Knopf drücken und dafür sorgen, dass er ganz ausgeht? Dann wäre er völlig schwarz. Auch der letzte kleinste, weiÃe Buchstabe wäre verschwunden. Ich könnte auch den Stecker rausziehen, dann wäre er von der Stromversorgung abgeschnitten und selbst die grün leuchtende Uhrzeit müsste einem schwarzen Feld weichen.
Aber vielleicht sollte ich auch den Satellitenreceiver anschalten, dann bekäme der Fernseher wieder ein Signal â¦
25. Mai 2012, 17:30 Uhr
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Es hatte zwei ganze Tage gedauert. Zwei lange, klebrige, zähflüssige Tage, in denen ich auf meinem Bett gelegen hatte. Nicht gesprochen, nicht gegessen, nicht getrunken hatte. In denen Sonja neben mir gesessen hatte. Nahezu die ganze Zeit lang.
Ich glaube, meine Eltern sind wiedergekommen. Wahrscheinlich meinetwegen. Aber sie waren für mich nicht mehr als Schatten. Manchmal da. Und doch weit fort. Ohne Gesichter. Sonja war die Einzige, die ich sehen konnte. Keine Ahnung, ob meine
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