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Gabriel - Duell der Engel

Gabriel - Duell der Engel

Titel: Gabriel - Duell der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kaja Bergmann
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Scheidungsraten? Dass Liebe ewig währt?« Er schüttelte den Kopf. »Liebe ist überhaupt der Grund, weshalb viele Kriege geführt werden. Liebe sät Hass und Zwietracht in den Herzen der Menschen. Wir wären besser dran ohne sie. Ohne die Menschen selbst. Und genau dafür werde ich sorgen. Ich bin sozusagen die Rache Gottes.« Er blickte versonnen zu den grauen Wolken hinauf. Offensichtlich fühlte er sich ungeheuer wohl in seiner neuen, selbst auferlegten Rolle.
    Er schlug ein weiteres Mal mit seinen Flügeln, drehte einen atemberaubend schnellen Rückwärtssalto (Angeber!) und ließ sich im Sturzflug nach unten fallen. Scheiße, was hatte er vor?
    Ich tat es ihm gleich, ließ mich fallen und versuchte, näher an ihn heranzukommen. Doch er war schneller. Wir stürzten auf eine stark befahrene Straße zu. Keine Ahnung, welche. Zwei Spuren in jede Richtung. Typischer Stadtverkehr. Eine Bushaltestelle. Ein kleines Mädchen wartete davor. Ganz alleine. Sie trug einen leuchtend gelben Regenmantel. Mir war gar nicht aufgefallen, dass es regnete. Dazu ebenfalls leuchtend gelbe Gummistiefel. Lange, braune Haare. Zu zwei Zöpfen geflochten. Ich schätzte sie auf sechs oder sieben Jahre. Seraphin bremste seinen Fall schlagartig ab. Wir schwebten nun ungefähr zehn Meter über dem Boden. Ich hielt hinter ihm. »Weißt du, was das Besondere an Kindern ist?« Er sah mich nicht an. Erwartete keine Antwort. »Kinder sind die Einzigen, die uns sehen können. Da macht es gleich doppelt so viel Spaß.« Mir stockte der Atem, seine Ehrlichkeit schockierte mich. Ich wusste, dass er die Wahrheit sagte. Deswegen hatte mich in den gesamten zwei Jahren nie ein Passant gesehen. Nur ein kleines Kind. Irgendwie fand ich das schön. Doch in Bezug auf Seraphin war es grauenvoll.
    Â»Was müssen das nur für Eltern sein?«, murmelte er leise. »Lassen ihr Kind ganz alleine mitten in der Stadt. Wie leichtsinnig.«
    Â»Sie hatten bestimmt einen guten Grund dafür«, erwiderte ich vorsichtig. »Oder vielleicht haben sie sich gestritten. Und sie ist von zu Hause abgehauen.« Endlich wandte Seraphin den Kopf. Langsam. Sah mich an. Ein schreckliches Lächeln umspielte seine Lippen. »Ein Streit?«, raunte er. »Wie dramatisch. Stell dir vor, das wären die letzten Worte, die die Eltern mit ihrem Kind gewechselt hätten.«
    Er ließ sich fallen. »Seraphin, warte!«, schrie ich, doch natürlich war es zwecklos. Ich stürzte hinterher. Nahm all meine Kraft zusammen. Beschleunigte. War doch zu langsam. Von links kam ein Bus angefahren. In Zeitlupe sah ich, wie Seraphin hinter dem Mädchen ankam. Landete. Sich zu mir umdrehte. Wartete, bis ich ihn fast erreicht hatte. Und sie dann mit einem einzigen kräftigen Stoß nach vorne katapultierte.
    Der kleine Körper wurde durch die Luft geschleudert, ein schmächtiger, gelber Sonnenstrahl in der sonst so grauen, trostlosen Stadt. Der Bus erfasste sie, fast ohne zu bremsen. Sie war sofort tot. Wurde noch eine Weile vor dem Bus hergeschoben, bevor er endlich hielt. Blut rann unter ihrer gelben Kapuze hervor, färbte sie orange. Ein warmer Farbverlauf, malte die Töne der Sonne. Harmonierte.
    Ich stand wie versteinert. Konnte mich nicht rühren. Die Augen weit aufgerissen.
    Schreie. Passanten. Eine Frau. Ihr Gesicht vor Entsetzen verzerrt. Das Schrecklichste, was ich je gesehen hatte.
    Und über all dem schwebte Seraphin und lachte höhnisch. »Und Gott sah, dass es gut war!«, rief er eisig und flog davon.

27. Mai 2012, 11:03 Uhr
    Â 
    Â»Mörder!«
    Seraphin drehte sich verwirrt um. »Oh, du überraschst mich«, zischte er. »Ich dachte, du müsstest den Schock erst mal verdauen. Du weißt schon, dich zwei Tage in deinem Bett verkriechen, ohnmächtig werden, dich bei deiner Freundin ausheulen – was man halt so macht, wenn man du ist.« Au. Seine Worte hatten ihr Ziel nicht verfehlt. Doch mein Herz hielt stand. War nun stärker als früher. Zerbrach nicht mehr sofort. Wie hatte Sonja das angestellt?
    Ich war selbst überrascht, dass ich nahezu direkt nach dem Unfall … nein, nach dem Mord die Beherrschung behalten und Seraphin nachgeflogen war. Vielleicht wollte ich auch einfach nur weg von diesem grauenhaften Ort. Weg von dem kleinen, leblosen, gelben Körper. Vielleicht war ich inzwischen auch zu sehr an Blut gewöhnt, um bei seinem

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