Gabriel - Duell der Engel
wütend, ich war verzweifelt. Warum konnte ich dich trotzdem nicht besiegen?«
Seraphin grinste. »Aha, jetzt kommen wir der Sache schon näher. Normalerweise würde ich jetzt gehen und dich diese Antwort selbst herausfinden lassen. Aber da du anscheinend schwerer von Begriff bist, als ich dachte â vielleicht sollte ich dir doch nicht mehr so oft auf den Kopf schlagen â, sage ich es dir. Das eben, das eben in dir, das war tatsächlich die perfekte Mischung. Sehr viel Wut, ein wenig Verzweiflung. Aber trotzdem hattest du nie eine reelle Chance gegen mich. Du hättest mich zwar fast davon abgehalten, dieses lächerliche R auf den Jungen zu schmeiÃen â eine alberne Art zu sterben, findest du nicht? â aber besiegen konntest du mich nie.« Er grinste.
»Verdammt, dann sag doch auch endlich, warum!« Ich starrte ihn wütend an.
»Ganz einfach: Ich werde immer stärker sein als du. Immer. Warum? Weil ich der Böse bin.«
Ich sah ihn ungläubig an. Das also war die Enthüllung seiner so groà angekündigten, geheimnisvollen Pointe. Sie war einfach nur armselig. »Ach ja. Und das ist alles?«
Seraphin zuckte grinsend mit den Achseln. »Das ist alles. Ich sagte doch, es ist einfach. Fast schon ein wenig enttäuschend, nicht?«
Ich schüttelte missmutig den Kopf. »Okay, das heiÃt also, ich werde dich nie besiegen können, weil du böse bist.« Langsam wurde mir die ganze Sache zu blöd.
Seraphin hingegen schien zu seiner Höchstform aufzulaufen. »Wieder falsch!«, rief er und sein Grinsen wurde noch breiter. »Du kannst mich besiegen. Genau genommen musst du mich sogar besiegen. Denk an die vielen armen Kinder. Wir wollen doch nicht, dass diese Stadt ausstirbt, oder?«
Ich seufzte genervt. »Wie?«, zischte ich wütend.
Seraphin verdrehte die Augen. »Na ja, du bist halt nicht der Hellste. Muss ich einsehen. Und da ich ja unglaublich gnädig bin, gebe ich dir einen Tipp: Hinterlist. Ohne sie hast du keine Chance gegen mich. Du musst die Schwächen deines Gegners kennen und sie heimtückisch ausnutzen. Salz in die Wunde streuen. Du weiÃt schon. Und Gabriel â du kennst meine Schwächen. Du kennst sie genau. Jetzt musst du nur noch zuschlagen.«
Er lief ein paar Schritte rückwärts, ohne den Blick von mir zu lösen. Hielt mich mit seinen Augen gefangen. »Ach, und noch was«, säuselte er vergnügt. »Du solltest dir nicht zu lange Zeit lassen. Ich habe mir vorgenommen, demnächst auf etwas Ãltere umzusteigen. Immer nur diese Kleinkinder, das wird auf Dauer ja auch langweilig, findest du nicht?«
»Was soll das heiÃen?«, fragte ich tonlos. In meine Seele hatte sich eine schreckliche, dunkle Ahnung eingeschlichen.
»Na ja, ich dachte mir, ich nehme mir morgen vielleicht mal eine Siebzehnjährige vor.« Sein kaltes Lachen riss tiefe Furchen in mein geflicktes Herz.
»Sonja«, stieà ich hervor.
»Ja. Sonja«, hauchte er, breitete theatralisch seine Flügel aus und schwang sich von der Dachkante.
Ich schlang die Arme um meinen Brustkorb und konnte gerade noch verhindern, dass mein Herz erneut zersplitterte.
Notizen
Â
Oft wünsche ich mir, zu vergessen.
Wenn ich als Kind irgendetwas getan oder gesagt habe, was mir peinlich war, habe ich mir danach meist gedacht: »Ist nicht so schlimm. Wenn ich erwachsen bin, hab ich das eh vergessen.« Diese Dinge vergisst man nie.
Oft hingegen habe ich einen Gedanken im Kopf, eine Art flüchtiger Gedankenluftstrom, der im nächsten Augenblick versiegen kann, den ich zuvor aber unbedingt festhalten muss. Ich laufe dann in mein Zimmer, suche Papier und einen Stift, doch kaum habe ich alles gefunden, ist der Luftstrom weitergezogen. Ich habe den Gedanken vergessen und das Schlimme ist: Ich weiÃ, dass ich ihn vergessen habe.
28. Mai, 13:21 Uhr
Â
»Und dir gehtâs wirklich besser?« Sonjas Blick war schon wieder voller Sorge. Sorge um mich. Wie unsinnig.
»Ja, alles super.« Ich lächelte ihr aufmunternd zu. Hielt sie ganz fest im Arm. Brachte sie nach Hause.
»Aber eben in Mathe, da bist du plötzlich ganz schön blass geworden. Du hast echt schlimm ausgeâ¦Â«
»Du, hast du mal deine Eltern gefragt, ob ich heute bei dir übernachten kann?«
»Ach so. Nein, hab ich nicht. Du kennst sie doch. Sie würden es mir eh nicht erlauben. Mein Hausarrest, du
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