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Gabriel Labert

Gabriel Labert

Titel: Gabriel Labert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
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ließ den Kopf auf die Brust und die Hände auf die Knie sinken und murmelte mit einem Seufzer: »Doktor, Sie erkennen also, daß ich sehr krank bin?«
    »Ich sage nicht, Sie sind krank, ich sage nur, Sie leiden.«
    »Ist das nicht dasselbe?«
    »Nein.«
    »Und was raten Sie mir? Die Medizin muß für jedes Leiden ihre
    Mittel haben; es wäre sonst nicht der Mühe wert, die Ärzte so teuer zu bezahlen.«
    »Sie sagen das nicht gegen mich?« erwiderte ich lachend.
    »O nein! Sie sind in allen Dingen ein Muster.«
    Er nahm das Glas Rum und trank es, ohne an das zu denken, was er tat. Ich hielt ihn nicht zurück, denn ich wollte sehen, welche Wirkung dieses brennende Getränk auf ihn hervorbrächte. Es schien gar keine Wirkung hervorzubringen; es war, als hätte er nur ein Glas Wasser geleert. Ich zweifelte nicht mehr daran, daß sich dieser Mensch oft durch den Genuß alkoholischer Getränke zu betäuben versuchte. Nach einem Augenblick schien er in der Tat wieder einige Energie zu gewinnen.
    »Warum«, sagte er, das Schweigen unterbrechend und seine eigenen Gedanken beantwortend, »warum quäle ich mich eigentlich so sehr? Bah, ich bin jung, ich bin reich, ich genieße das Leben, das wird dauern, solange es kann.«
    Er nahm ein zweites Glas und leerte es wie das erste.
    »Sie raten mir also nichts, Doktor?« »Doch; ich rate Ihnen, Vertrauen zu mir zu haben und mir mitzuteilen, was Sie quält.« »Sie glauben immer noch, daß ich etwas habe, was ich nicht zu sagen wage?«
    »Ich sage Ihnen, daß Sie mir ein Geheimnis verbergen.«
    »Ein wichtiges?« versetzte er mit einem gezwungenen Lächeln.
    »Ein furchtbares.«
    Er erbleichte und nahm mechanisch die Flasche beim Hals, um sich ein drittes Glas einzuschenken. »Ich habe Ihnen gesagt, Sie werden sich töten«, sprach ich. Er sank ein wenig zurück und stützte seinen Kopf an das Täfelwerk
    seines Zimmers.
    »Ja, Doktor, ja, Sie sind ein Genie; ja, Sie haben es sogleich erraten. Sie, während die anderen nichts sahen als Feuer; ja, ich habe ein Geheimnis, und wie Sie sagen, ein furchtbares Geheimnis, das mich sicherer töten wird als der Rum, den Sie mich zu trinken hindern, ein Geheimnis, das ich stets irgend jemand anzuvertrauen Lust hatte und das ich Ihnen sagen würde, wenn Sie, wie die Beichtväter, das Gelübde der Verschwiegenheit abgelegt hätten. Doch urteilen Sie selbst: Wenn dieses Geheimnis mich schon so sehr quält, solange ich nur allein es kenne, wie wäre es erst, wenn ich zu meiner ewigen Marter wüßte, es wäre noch irgendeinem anderen Menschen bekannt?«
    Ich stand auf.
    »Mein Herr«, sagte ich, »ich habe kein Geständnis von Ihnen verlangt, und ich habe Ihnen keine Mitteilung gemacht; Sie ließen mich als Arzt kommen, und ich sagte Ihnen, ein Arzt könnte Ihren Zustand nicht bessern.
    Bewahren Sie Ihr Geheimnis – das steht ganz bei Ihnen, mag dieses Geheimnis nun auf Ihrem Herzen oder auf Ihrem Gewissen lasten. – Gott befohlen, Herr Vicomte.«
    Er ließ mich weggehen, ohne mir zu antworten, ohne eine Bewegung zu machen, mich zurückzuhalten, ohne mich zurückzurufen, nur konnte ich, als ich mich umwandte, um die Tür zu schließen, sehen, daß er die Hand zum drittenmal nach der Rumfl asche, seiner unseligen Trösterin, ausstreckte.
     

10. Kapitel
Ein furchtbares Geständnis
     
    Ich setzte meine Krankenbesuche fort, bekam jedoch nicht aus dem Kopf, was ich gesehen und gehört hatte. Während der Widerwille gegen de Faverne bestehenblieb, begann ich doch aber jenes körperliche Mitleid, wenn ich mich so ausdrücken darf, zu spüren, das der für die Leiden anderer empfängliche Mensch empfindet, wenn einer seiner Mitmenschen leidet.
    Ich speiste auswärts, und da ein Teil meines Abends Besuchen gewidmet war, kehrte ich erst nach Mitternacht nach Hause zurück.
    Man sagte mir, ein junger Mann, der mich konsultieren wolle, erwarte mich seit einer Stunde in meinem Kabinett. Ich fragte nach seinem Namen, er hatte ihn nicht nennen wollen.
    Ich trat ein und erkannte Herrn de Faverne.
    Er war bleich und ebenso aufgeregt wie am Morgen; ein Buch, das er zu lesen versucht hatte, lag offen auf dem Schreibtisch.
    »Nun«, fragte ich, »es geht Ihnen schlechter?«
    »Ja«, antwortete er, »sehr schlecht; es ist mir ein furchtbares Ereignis, ein gräßliches Abenteuer begegnet, und ich bin hierhergelaufen, um es Ihnen zu erzählen.
    Hören Sie, Doktor, seitdem ich mich in Paris aufhalte, seit ich das Leben führe, das Sie kennen, sind Sie der

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