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Gabriel Labert

Gabriel Labert

Titel: Gabriel Labert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
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Gefängnisdirektor die Erlaubnis, seinen Hausgenossen zu besuchen, vorwies, war ich sicher genauso bleich und zitterte ebenso wie die Gäste, die er gewöhnlich empfängt.
    Kaum hatte er meinen Namen gelesen, unterbrach er sich, um mich zum zweitenmal zu begrüßen.
    Dann rief er einen Schließer und sagte zu ihm: »François, führen Sie den Herrn in die Zelle Gabriel Lamberts, ich habe ihm erlaubt, mit dem Verurteilten allein zu bleiben.«
    »In welchem Zustand finde ich den Unglücklichen?« fragte ich.
    »Wie ein Kalb, das man auf die Schlachtbank führt, so hat man mir wenigstens gesagt; doch Sie werden es selbst sehen: Er ist so niedergeschlagen, daß man es für unnötig gehalten hat, ihm eine Zwangsjacke anzuziehen.«
    Ich seufzte. V… hatte sich in seinen Prophezeiungen nicht getäuscht, und im Angesicht des Todes war Gabriel Lamberts Mut nicht gewachsen.
    Nachdem ich dem Direktor zum Dank für sein Entgegenkommen zunickte, folgte ich dem Schließer. Der Direktor setzte seine durch mich unterbrochene Partie Piquet fort.
    Wir durchschritten einen kleinen Hof, traten in einen düsteren Gang und stiegen ein paar Stufen hinab.
    Wir fanden einen zweiten Gang, in dem Kerkerknechte wachten, die von Minute zu Minute ihr Gesicht an vergitterte Öffnungen drückten.
    In diesen Zellen fanden sich die zum Tod Verurteilten, deren letzte Augenblicke man so überwacht, damit sie sich nicht durch Selbstmord dem Schafott entziehen.
    Der Schließer öffnete eine von diesen Türen, und ich blieb wie in einem letzten Gefühl des Schreckens unbeweglich stehen.
    »Treten Sie ein«, sagte er. »Hier ist es. He! Junger Mann«, fügte er hinzu. »Sie haben Glück gehabt, hier ist der Mann, nach dem Sie verlangten.«
    »Wer? Der Doktor?« fragte eine Stimme. »Ja, mein Herr«, antwortete ich eintretend, »ich bin zu Ihnen gekommen.« Ich konnte nun mit einem Blick die elende, fi nstere Nacktheit des Kerkers umfassen. Im Hintergrund stand ein armseliges Bett, über dem dicke Gitterstangen das Vorhandensein eines Luftloches andeuteten.
    Die durch die Zeit und den Rauch geschwärzten Wände waren auf allen Seiten mit Namen beschrieben, welche die Bewohner dieses furchtbaren Ortes eingekratzt hatten. Einer von ihnen, der wohl eine beweglichere Phantasie besaß als die übrigen, hatte das Bild einer Guillotine auf die Wand gezeichnet.
    An einem durch eine rauchige Lampe beleuchteten Tisch saßen zwei Männer. Der eine war ein Mann von achtundvierzig bis fünfzig Jahren, dem das weiße Haar das Aussehen eines Greises von siebzig verlieh.
    Der andere war der Verurteilte. Als er mich erblickte, stand er auf, doch Gabriels Vater blieb unbeweglich sitzen, als ob er weder sehen noch hören könnte.
    »Ah! Doktor«, sagte der Verurteilte, der sich mit der Hand auf den Tisch stützte, um nicht umzufallen, wie mir schien.
    »Sie haben es also auf sich genommen, mich zu besuchen? Ich kannte wohl Ihr gutes Herz, und ich gestehe, dennoch zweifelte ich daran, daß Sie mich besuchen würden.«
    »Mein Vater, mein Vater«, rief der Verurteilte dann, indem er dem Greis auf die Schultern klopfte, »es ist der Doktor Fabien, von dem ich so oft gesprochen habe. – Entschuldigen Sie ihn«, fuhr der junge Mann fort, der sich nun zu mir zurückwandte und auf Th omas Lambert deutete, »meine Verurteilung hat ihm einen solchen Schlag beigebracht, daß ich glaube, er wird wahnsinnig.«
    »Sie haben mich zu sprechen gewünscht, mein Herr, und ich habe mich beeilt, Ihrer Aufforderung zu folgen«, sagte ich. »Ein Arzt hat die Pflicht, solchen Bitten nachzukommen, es ist keine Güte.«
    »Nun, Doktor«, erwiderte der Verurteilte, »Sie wissen … morgen …«
    Und er fiel wieder auf seinen Schemel zurück, wischte seine schweißnasse Stirn mit einem durchfeuchteten Taschentuch und setzte ein Glas Wasser an die Lippen, von dem er nur ein paar Tropfen trank; seine Hand zitterte so sehr, daß ich das Glas an seinen Zähnen klirren hörte.
    Während des kurzen Stillschweigens, das nun eintrat, schaute ich ihn aufmerksam an. Nie hatte die schmerzlichste Krankheit eine gräßlichere Veränderung bei einem Menschen hervorgebracht.
    War er mir in der Kleidung eines Dandys immer etwas lächerlich erschienen, so war er in der Zuchthaustracht nur noch ein bemitleidenswertes Geschöpf. Stets sehr hager für seine lange Gestalt, war sein Körper noch mehr abgezehrt. Die hohlen Augen schienen in Blut zu schwimmen. Das Gesicht war leichenblaß, und der Schweiß hatte die

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