Gabriel Lambert
ausschlägt?«
»Wenn sie es ausschlägt, wenn sie es ausschlägt … Nun, wir werden sehen.«
Der Vicomte sprach diese letzten Worte mit einem so fi nsteren Ton, daß ich für die arme Frau zitterte.
»Es ist gut, mein Herr«, antwortete ich, »ich will sie sehen.«
»Und Sie werden sie dahin bringen, daß sie abreist?«
»Dafür kann ich mich nicht verbürgen; aber ich werde alles tun, die Sprache der Vernunft mit ihr zu sprechen, ihr den Abstand zu zeigen, der zwischen Ihnen beiden liegt.«
»Den Abstand?«
»Ja.«
»Sie vergessen, daß ich Ihnen gestanden habe, ich sei kein Vicomte, ich bin ein Bauer, mein Herr, ein einfacher Bauer und habe mich durch meinen Verstand über meine natürliche Stellung erhoben; nur bitte ich Sie um Stillschweigen. Sie begreifen, daß Herr de Macartie mir seine Tochter nicht geben würde, wenn er wüßte, daß ich ein Bauer bin.«
»Es liegt Ihnen also ungeheuer viel an dieser Heirat?«
»Ich habe Ihnen gesagt, es ist für mich das einzige Mittel, gewagte Spekulationen, die ich zu unternehmen genötigt bin, aufgeben zu können.«
»Ich werde das Mädchen sehen.«
»Heute abend?«
»Heute abend. Wo werde ich sie fi nden?«
»Da, wo ich sie gesehen habe.«
»Auf dem Prellstein?«
»Ja.«
»Sie glauben, sie ist noch dort?«
»Ich bin dessen sicher.«
»Vorwärts.«
Er stand rasch auf und stürzte zur Tür; ich folgte ihm.
Wir gingen hinaus.
Ich wohnte kaum fünfhundert Schritt von ihm. Als wir an die Ecke der Rue Taitbout und der Rue du Helder kamen, blieb er stehen, deutete mit dem Finger auf etwas Gestaltloses, das man kaum im Schatten unterschied, und sagte: »Dort, dort! – Ich kehre durch die Rue du Helder zurück. Das Haus hat, wie Sie wissen, einen Hintereingang … Gehen Sie zu ihr.«
»Ich gehe.«
»Warten Sie. Ich muß Sie um einen letzten Dienst bitten. Mir scheint, ich bin auf dem Weg, ein Narr zu werden; mir wird schwin-delig; alles dreht sich um mich … Ihren Arm, Doktor, führen Sie mich bis zu der kleinen Tür.«
»Gern.«
Ich nahm seinen Arm; er wankte in der Tat wie ein Betrunkener.
Ich führte ihn bis zur Tür.
»Ich danke, Doktor, ich danke; ich schwöre, ich bin Ihnen sehr erkenntlich; und wenn Sie einer von den Menschen wären, die sich ihre Dienste bezahlen lassen, so würde ich Ihnen dafür bezahlen, was Sie wollen. Gut, wir sind nun an Ort und Stelle; nicht wahr, Sie kommen morgen und geben mir Antwort? Ich würde mich wohl zu Ihnen bemühen, aber bei Tage wage ich es nicht, ich müßte be-fürchten, ihr zu begegnen.«
»Ich werde kommen.«
»Adieu, Doktor.«
Er läutete, man öff nete.
»Einen Augenblick«, sagte ich, indem ich ihn zurückhielt. »Der Name dieser Frau?«
»Marie Granger.«
»Gut; auf Wiedersehen.«
Er trat in sein Haus, und ich ging wieder die Rue du Helder hinauf, um in die Rue Taitbout zurückzukehren.
Als ich an die Ecke der zwei Straßen gelangte, da, wo ich die Frau erblickt hatte, hörte ich Lärm und sah eine ziemlich beträchtliche Gruppe, die sich im Schatten bewegte.
Ich lief darauf zu.
Eine vorüberziehende Patrouille hatte die Unglückliche bemerkt, und da sie, befragt, was sie um zwei Uhr morgens hier machte, nicht hatte antworten wollen, führte sie diese Patrouille zur Wache.
Die arme Frau marschierte mitten unter den Nationalgarden und trug ihr weinendes Kind auf dem Arm; doch sie vergoß keine Träne, sie stieß keine Klage aus.
Ich näherte mich sogleich dem Anführer der Patrouille.
»Verzeihen Sie, mein Herr«, begann ich, »ich kenne diese Frau.«
Sie hob rasch den Kopf und schaute mich an.
»Er ist es nicht«, sagte sie und ließ ihr Haupt wieder sinken.
»Sie kennen diese Frau, mein Herr?« erwiderte der Korporal.
»Ja, sie heißt Marie Granger und stammt aus dem Dorf Trouville.«
»Das ist mein Name, und es ist der meines Dorfes. Wer sind Sie, mein Herr? Im Namen des Himmels, wer sind Sie?«
»Ich bin Doktor Fabien und komme im Auftrag von ihm.«
»Im Auftrag von Gabriel?«
»Ja.«
»Dann, meine Herren, lassen Sie mich gehen. Ich fl ehe Sie an, lassen Sie mich mit ihm gehen.«
»Sie sind wirklich der Doktor Fabien?« fragte mich der Anführer der Patrouille.
»Hier ist meine Karte, mein Herr.«
»Und Sie bürgen für diese Frau?«
»Ich bürge für sie.«
»Dann können Sie sie mitnehmen.«
»Ich danke.«
Ich bot der Unglücklichen den Arm; doch sie zeigte mir mit einer Gebärde ihr Kind, das sie zu tragen genötigt war, und sagte: »Ich werde Ihnen folgen, mein
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