Gabriel Lambert
was man tun soll, den gegebenen Rat befolgt, so tut man es, damit man eines Tages das Recht hat, zum Ratgeber zu sagen: Daran sind Sie schuld.«
»Es ist etwas Wahres an Ihrer Bemerkung, Doktor; doch wie ich glaube, daß ein Arzt nicht berechtigt ist, eine Verordnung zu verweigern, glaube ich ebenso nicht, daß ein Mensch befugt ist, einen Rat zu verweigern.«
»Sie haben recht, ich weigere mich auch nicht, Ihnen einen Rat zu geben, Sie werden mir nur das Vergnügen machen, ihn nicht zu befolgen.«
Ich setzte mich nun zu ihm, doch statt mir zu antworten, ließ er den Kopf sinken und stützte ihn auf die Hände. Wie vernichtet saß er da.
»Nun?« fragte ich nach einem Augenblick Stillschweigen.
»Nun«, erwiderte er, »am klarsten bei dem allem ist mir, daß ich verloren bin.«
Es lag in diesen Worten ein solcher Ausdruck der Überzeugung, daß ich bebte.
»Verloren, Sie? Und wie das?« fragte ich.
»Ich bin sicher, sie wird mich verfolgen, sie wird jedem sagen, wer ich bin, sie wird meinen wahren Namen in allen Straßen ausschreien.«
»Wer wird Sie verfolgen?«
»Sie, bei Gott!«
»Sie? Wer sie?«
»Marie!«
»Wer ist Marie?«
»Ach ja, das können Sie nicht wissen; eine kleine Närrin, eine leichtfertige Dirne, mit der mich abzugeben ich die Güte hatte, mit der ein Kind zu zeugen ich so albern war.«
»Nun, wenn es eine von den Frauen ist, bei denen man sich mit Geld abfi ndet – sind Sie reich genug.«
»Ja«, entgegnete er, mich unterbrechend, »zu diesen Frauen zählt Marie leider nicht; sie ist ein Dorfmädchen, ein armes Mädchen, ein frommes Mädchen.«
»Eben noch nannten Sie diese Marie eine leichtfertige Dirne.«
»Ich hatte unrecht, mein lieber Doktor, ich hatte unrecht, es war der Zorn, der mich so sprechen ließ, oder vielmehr – nein, nein, es war die Furcht.«
»Diese Frau ist also imstande, Ihr Schicksal zu beeinfl ussen?«
»Sie kann meine Heirat mit Fräulein de Macartie verhindern.«
»Wie das?«
»Wenn sie meinen Namen nennt und verrät, wer ich bin.«
»Sie heißen also nicht de Faverne?«
»Nein.«
»Sie sind also kein Vicomte?«
»Nein.«
»Sie sind also nicht auf Guadeloupe geboren?«
»Nein. Sehen Sie, dies alles ist eine erfundene Geschichte.«
»Olivier hatte also recht?«
»Ja.«
»Aber wie konnte Herr de Malpas, der Gouverneur von Guadeloupe, beurkunden …?«
»Still«, sagte de Faverne, indem er heftig meine Hand drückte,
»das ist mein anderes Geheimnis, Sie wissen, das Geheimnis, das mich umbringt.«
Wir blieben einen kurzen Augenblick lang alle beide stumm.
»Diese Frau, diese Marie – Sie haben sie wiedergesehen?«
»Heute, Herr Doktor, heute am Abend; sie hat ihr Dorf verlassen, ist nach Paris gekommen und hat mich hier gefunden. Und heute abend ist sie mit ihrem Kind zu mir gekommen.«
»Was haben Sie getan?«
»Ich habe gesagt«, versetzte Herr de Faverne mit düsterem Ton,
»ich habe gesagt ich kenne sie nicht, und ließ sie von meinen Leuten vor die Tür werfen.«
Ich wich unwillkürlich zurück.
»Das haben Sie getan, Sie haben Ihr Kind verleugnet und seine Mutter durch Ihre Lakaien wegjagen lassen?«
»Was hätte ich denn sonst tun sollen?«
»Das ist abscheulich.«
»Ich weiß es wohl.«
Und wir versanken beide wieder in Stillschweigen. Nach einem Augenblick erhob ich mich.
»Und was habe ich mit alledem zu schaff en?« fragte ich aufgeregt.
»Sehen Sie nicht, daß mich Gewissensbisse peinigen?«
»Ich bemerke, daß sie Furcht haben.«
»Doktor … Ich wünschte, Sie würden diese Frau sehen.«
»Ich?«
»Ja, Sie, tun Sie mir den Gefallen, sie zu sehen.«
»Wo werde ich sie fi nden?«
»Einen Augenblick, nachdem ich sie weggejagt hatte, schob ich den Vorhang meines Fensters zurück und gewahrte sie mit ihrem Kind auf einem Prellstein.«
»Und Sie glauben, daß sie noch dort ist?«
»Ja.«
»Sie sind also wieder mit ihr zusammengetroff en?«
»Nein, ich bin durch eine Hintertür hinausgegangen und zu Ihnen gelaufen.«
»Warum sind Sie nicht ganz einfach durch die Vordertür hinaus und in Ihrem Wagen gefahren?«
»Ich befürchtete, sie würde sich meinen Pferden unter die Füße werfen.«
Ich erschauerte.
»Was soll ich denn da tun? Wie kann ich Ihnen nützen?«
»Doktor, tun Sie mir einen Gefallen: Sprechen Sie mit ihr, sie soll mit ihrem Kind nach Trouville zurückkehren; ich gebe ihr, was sie will, zehntausend Franc, zwanzigtausend Franc, fünfzigtausend Franc.«
»Und wenn sie das alles
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