Gabriel
inzwischen im Herrenhaus. Da sie nur ein kleines bisschen weniger stur waren als Ellies Eltern, war es eine Meisterleistung, wie sie wohl nur Engel zustande brachten, die beiden Ehepaare glücklich einzuquartieren. Damit waren alle vier Erzengel, der Hüter und die zwei Sternenengel beschäftigt.
Am Ende der darauffolgenden Woche wurde Juliette von Ellie wegen der Hochzeitsvorbereitungen bedrängt. Gabriel hatte sie um ihre Hand gebeten, im Hochland. Dort hatte er ein Cottage für sie errichtet, wie es nur ein Erzengel vermochte, und sie im Bett festgehalten, bis sie seinen Heiratsantrag annahm. So leicht hatte sie sich nicht erobern lassen. Aber schließlich war sie so überwältigt gewesen von den erotischen Freuden, dass ihr gar nichts anderes übrig geblieben war, als Ja zu sagen. Danach hatte er sie trotzdem noch ein paar Tage länger im Bett gefangen gehalten. – Die Ausdauer eines Erzengels war wirklich umwerfend!
Jetzt stand Juliette an einem sonnigen Aprilnachmittag an einer der steinernen Fensteröffnungen von Slains Castle und blickte auf das Meer hinab. Wären die intensiven Farben gemalt gewesen, hätten die meisten Betrachter behauptet, das Bild sei unrealistisch. In sattem Türkis funkelten die Wellen. Schneeweiße Möwen flogen darüber hinweg, das Gras begann zu grünen, und auf den Klippen schimmerte das Moos in hellem Gelb. Diese Klippen musterte sie nun. Schwarz. Wie Gabriels Haar.
Hier wollte sie heiraten. Wo sie gelebt und den Tod gefunden hatte – und die Liebe. Dieser Ort war ein Teil von ihr. Mehr als jeder andere. Die Klippen hatten sie sterben sehen. Nun würde ihr neues Leben an derselben Stelle beginnen.
Es war nicht einfach gewesen, die amtliche Erlaubnis für die Hochzeit zu erhalten. Die Besitzer von Slains wollten die majestätische Ruine in Ferienapartments umwandeln. Damit wäre ein weiterer Teil der Geschichte – und von Juliettes Vergangenheit – nur noch Erinnerung.
Glücklich lächelte sie, als der Wind ihre Wangen liebkoste und wie ein Liebhaber durch ihr langes Haar strich. Mit geschlossenen Augen atmete sie die Brise ein. Die Luft roch nach Salz und nassem Gras und einem Versprechen.
Hinter ihr knirschten Stiefel, und sie öffnete die Augen. Wie eine Kerzenflamme, die zu ihr wehte, spürte sie seine Nähe. Ihr Blick schweifte zum blauen Horizont. »Hast du jemals etwas so Schönes gesehen?«
Nach einem langen Schweigen antwortete Gabriel mit einer Stimme voller Emotionen: »Nein, Babe.«
Sie drehte sich zu ihm um. Was sie in seinem attraktiven Gesicht las, verschlug ihr die Sprache. Seine silbernen Augen schauten in die Tiefe ihrer Seele. Fast schmerzlich war seine Stirn gefurcht. Der Wind wehte sein Haar, schwarz wie die Klippen, gegen die Bartstoppeln an seinem Kinn, was ihn verletzlich und stark zugleich erscheinen ließ. Wie er Juliette so beobachtete, wirkte er gepeinigt, und auch sie konnte kaum atmen.
Noch einen ewigen Moment ließ er verstreichen, bevor er näher zu ihr trat. Um zu ihm aufzublicken, legte sie den Kopf in den Nacken und glaubte, in seinem Blick zu ertrinken.
»Niemals in meinem ganzen Leben«, begann er, ohne sie zu berühren, als wagte er es nicht, »habe ich jemanden so Schönes wie dich gesehen.«
Es folgte ein Schweigen, von Sehnsucht erfüllt wie der Raum zwischen Adams Finger und der Hand Gottes in der Sixtinischen Kapelle, dann sanken sie einander in die Arme. Gabriel drückte Juliette besitzergreifend an sich, und sie schlang ihre Finger in seine zerzausten Locken. Plötzlich flammte eine unvergleichliche Leidenschaft in ihnen auf. Ihre Lippen fanden sich in einer Explosion aus Liebe und Verlust, aus Erinnerungen, Leiden und Hoffnung.
Und nach über zweitausend Jahren voller Leben und Tod und Wiedergeburten hatte Juliette endlich das Gefühl, sie wäre nach Hause gekommen.
»Großer Gott, Jules, das ist ja unbegreiflich.« Sophie schüttelte den Kopf, und ihr üppiges, glänzendes goldblondes Haar fiel über ihren Rücken. »Wo um alles in der Welt hast du diesen Mann gefunden?«
»Diesen Engel«, verbesserte Juliette ihre beste Freundin.
»Okay, diesen Engel.« Sophie sprang von der steinernen Balustrade, auf der sie gesessen hatte, und wischte die Hände an ihren Jeans ab. »Keine Ahnung, ob ich mich jemals dran gewöhnen werde.« Seufzend sah sie Juliette an, die in den sonnigen Tiefen ihrer goldbraunen Augen immer noch die Spuren eines gewissen Schocks las.
Verständlich. Seit Sophies Ankunft vor zwei Tagen hatte
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