Gabun - Roman
dazu.
»Was ist mit Felicité?«, wollte ich wissen. »Ist sie wieder in der Lodge?«
»Ja und nein«, sagte Wessing. »Die Lodge in Gabun liegt auf Eis, sozusagen. Fox ist sauer. Er sagt, er weiß nicht, ob er weitermachen will. Hat viel Ärger gehabt, nachdem ihr weg wart. Aber zur Not kann er ja wieder Filme machen.«
Wessing ließ seinen Blick in die Ferne schweifen, das heißt hundert Meter weiter, bis zum nächsten größeren Schrotthaufen.
»Aber deine Freundin«, fuhr er fort, »die macht jetzt Karriere.«
»Felicité? Ist sie zurück an die Uni gegangen?«
Er schüttelte unwillig den Kopf. »Nein. Ich sage doch: Karriere. De Vries hat ihr angeboten, eine Lodge bei ihm in Namibia aufzuziehen. Bisschen größer und mehr Luxus. Mit einem ständigen Filmteam und einer Fernsehsendung.«
Wessing sah seine Bierflasche prüfend an, vielleicht um festzustellen, ob er den Rest auf einen Zug austrinken konnte.
»De Vries meint, das Ganze hat Zukunft«, sagte er. »Er will noch mehrere Lodges dort aufmachen, und sie kann das Management dafür übernehmen. ›Park eins‹ bis ›Park drei‹.« Wessing grinste. »Rein optisch«, fügte er an, »ist das mit ihr ja ein Glücksgriff, oder? Und ein helles Mädchen ist sie schließlich auch.«
Er schloss die Augen und leerte die Flasche. Sein Adamsapfel bewegte sich so regelmäßig auf und ab wie ein Uhrwerk.
»Und was ist mit dir«, fragte er dann, mich ins Auge fassend. »Willst du auch wieder einsteigen?«
Ich starrte auf den schwermetallverseuchten Boden vor uns, auf meine tropentauglichen Stiefel. Ein paar Ameisen kletterten auf einem verrosteten Stück Blech herum, verständigten sich mit ihren Fühlern. Ich kannte sie. Es waren rote Waldameisen.
Ich schaute den Ameisen zu, deren Gene und deren Programm seit Millionen von Jahren gleich geblieben waren, weil sie angekommen waren. Ich konnte einfach da bleiben. Der Sommer war noch nicht vorbei.
»Nein«, sagte ich. »Ich glaube nicht.«
Wessing nickte bedeutsam. »Nimm das nicht so schwer. Solche Projekte sind nicht kompliziert, Bernd. Du steigst aus, du steigst ein. Überleg es dir in Ruhe. In Afrika kannst du fast alles machen, du brauchst bloß ein bisschen Grips, die richtigen Kontakte und genug Geld in der Tasche. Apropos Geld«, sagte er. Er zog seinen Bauch ein, um den Griff in die Hüfttasche zu erleichtern. »Ich soll dir was geben.«
Er öffnete den speckigen Geldbeutel, den er zutage gefördert hatte.
»Einmal das«, er reichte mir zwei Fünfhundert-Euro-Scheine. »Abschlag auf dein Gehalt«, sagte er, »hast du ja liegen lassen im ›Park‹. Und dann noch was, warte mal.«
Er erhob sich. Kramte mit konzentriertem Gesichtsausdruck in seiner Hosentasche.
»Wo hab ich denn? Wo – ach ja«, sagte er. »Da ist er.« Er grinste mich freundlich an. »Mach mal die Hand auf.«
Er öffnete seine geschlossene Faust und ließ etwas in meine offene Hand fallen. Ich begriff, noch ehe ich es sehen konnte, was es war. Das harte, haselnussgroße Ding in meiner Hand.
»Schönen Gruß von De Vries«, sagte Wessing.
Und zwinkerte.
Marcello Simoni
DER HÄNDLER DER VERFLUCHTEN BÜCHER
Mittelalter-Thriller
ISBN 978-3-86358-308-8
Leseprobe zu Marcello Simoni,
DER HÄNDLER DER VERFLUCHTEN BÜCHER
:
PROLOG
Im Jahr des Herrn 1205. Aschermittwoch.
Eiskalte Windböen peitschten gegen die Mauern der Abtei von San Michele della Chiusa und trieben den Geruch von Harz und welken Blättern nach drinnen, Vorboten eines aufziehenden Unwetters.
Die Vesper war noch nicht vorüber, als sich Pater Viviën de Narbonne entschloss, die Klosterkirche zu verlassen. Durch die wabernden Weihrauchdämpfe und die flackernden Kerzenflammen in Unruhe versetzt, schritt er durch das Eingangsportal und eilte über den schneebedeckten Hof. Am Horizont erstickte die Dämmerung gerade die letzten Funken Tageslicht.
Ein plötzlicher Windstoß warf ihn beinahe zu Boden und jagte ihm einen Schauer über die Haut. Der Mönch hüllte sich noch enger in seine Kutte und runzelte die Stirn, als wäre ihm eine Kränkung widerfahren. Das ungute Gefühl, das ihn seit dem Aufstehen begleitete, schien ihn nicht mehr verlassen zu wollen; es hatte sich im Laufe des Tages eher noch verstärkt.
In der Hoffnung, er könne seine innere Unrast durch ein wenig Schlaf besänftigen, wandte er sich dem Kreuzgang zu und schritt zwischen dessen Säulen hindurch, bis er das beeindruckende Dormitorium der Mönche erreichte. Im gelblichen Schein der Fackeln,
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