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Gabun - Roman

Gabun - Roman

Titel: Gabun - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meinrad Braun
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oder, falls es regnete, bei der Stadtmission. Ich war ausgeschlafen, und ich war voller Tatendrang. Während ich die Straße hinunterging und nach einem Taxi Ausschau hielt, kam ich an dem Antiquariat vorbei, in dem ich das »Herz der Finsternis« gekauft hatte. Es hatte schon geöffnet. Draußen standen ein paar Kisten mit Büchern auf alten Tapezierböcken. Ich schlenderte vorbei, las an einer der Kisten das Angebot: »Gratis. Zum Mitnehmen.« Ich zog mein Buch aus der Tüte und stellte es dazu. Ein guter Platz. Vielleicht kam jemand vorbei, der es haben wollte.
    Das Taxi hielt vor der Einfahrt zu Klemm. Ich sagte zu dem Fahrer, er solle ruhig in das Gelände hineinfahren und mich direkt zum Büro bringen. Ich hatte keine Lust, durch die Schrotthaufen zu wandern. Sie hatten sich, wie ein Blick aus dem Fenster zeigte, nicht im Mindesten verändert, warum sollten sie auch. Beim Büro bat ich den Fahrer zu warten. Ich hatte vor, gleich wieder mit ihm zurückzufahren, mit oder ohne Paket. Ich eilte zur Tür und öffnete sie. Alina saß vor dem PC , den Blick in den Bildschirm versenkt, als habe sie ihn in den letzten Wochen nicht ein Mal verlassen. Andere Frisur, hübsche Rüschenbluse, die Augen geweitet, ihre rechte Hand mit den zweifarbig gestylten Nägeln um die Computermaus gekrallt.
    »Hallo«, sagte ich.
    Alina blickte auf. Nahm für zwei Sekunden lang Blickkontakt auf, in ihren blauen Augen ein Funke des Wiedererkennens.
    »Oh, hallo, Bernd«, sagte sie und schenkte den Rest ihres Lächelns wieder dem Computerbildschirm. »Bist so braun, warst du im Urlaub?«, fügte sie an, weiter tippend. »Und der tolle Bart.«
    »Sag mal, Alina, ist ein Paket für mich hier angekommen?«
    »Ein Paket, nee.«
    »Wirklich nicht? Luftpost, Express. Müsste heute angekommen sein.«
    Alina lächelte noch einmal entzückt in den Bildschirm, zog die Unterlippe unter die Schneidezähne und saugte geräuschvoll daran.
    »Wieso für dich?«, sagte sie nach einer Pause. »Hier kommen doch keine Pakete für dich an.«
    Sie tippte mit spitz herausgestreckter Zunge ein paar Worte. Klick, klick, klick. Die Maus zuckte nach rechts.
    »Ich hab im Moment keine andere Adresse, deswegen. Ich habe es aus Afrika hierhergeschickt.«
    »Du spinnst, Bernd«, sagte Alina, klapste sich mit zwei Fingern auf den Mund und schüttelte in begeisterter Entrüstung den Kopf. »Nee, also – nee. So ein Schweinigel aber auch.«
    »Alina, ich hab draufgeschrieben: ›Bei Klemm‹. Mit meinem Namen als Empfänger. Ist da ganz sicher nichts gekommen?«
    »Guck einfach mal nach. Heute früh hat die Putzfrau die Post angenommen.«
    Alina wies hinter sich, ohne den Blick vom Bildschirm zu lösen. Hinter ihr am Boden sah ich Zeitschriften liegen, einen Stapel Kuverts. Und daneben stand es. Ein dicker Aufkleber darauf: »Air Mail«, die Zollfreigabe klebte daran.
    »Das ist es«, sagte ich, hob es hoch. »Kann ich es mitnehmen?«
    »Klar«, sagte Alina. »Wenn’s für dich ist.«
    »Es ist für mich«, sagte ich. »Ich geh dann mal raus, den anderen kurz Guten Tag sagen, okay?«
    »Klar. Okay«, sagte Alina.
    Ich dachte nicht daran, irgendjemanden zu begrüßen.
    Kaum war ich draußen, riss ich mit zitternden Fingern die Klebestreifen vom Paket, trabte an dem Taxi vorbei, gab dem Fahrer mit der offenen Hand ein Wartesignal, dann war ich um das Büro herum und hatte die zerknüllten Zeitungen aus dem Karton herausgerissen. Der Schädel rollte mir in die Hand, blank poliert von den Mandibeln der Treiberameisen, er grinste mich an. In der trockenen Hirnschale klapperte es. »Mojomojo«, sagte jemand. Ganz leise, weit entfernt.
    Meine Finger zitterten noch immer, als ich mit einem Schnipsel Blech, den ich vom Boden auflas, den Stöpsel herauspulte, der das Hinterhauptloch verschloss. Ich machte meine Hand hohl und schüttete die Diamanten heraus. Zwei kamen zum Vorschein, drei, dann sechs. Elf mussten es sein. Noch während ich vor Glück erschauerte, dem Glück, dass sie noch da waren und meine Hand mehr und mehr füllten, bis es schließlich elf sein würden, fand ich, dass sie sich verändert hatten. Vielleicht waren sie einfach schmutzig geworden. Sie hatten ja einiges durchgemacht.
    Ich schob sie mit den Fingern in meiner hohlen Hand hin und her, zählte sie noch einmal nach. Es waren elf. Als ich einen von ihnen zwischen Daumen und Zeigefinger nahm und mein Herz Vollgas gab, sah ich es. Sie hatten sich nicht verändert. Es waren gar keine Diamanten, es waren

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