Gäbe es die Liebe nicht
„Wenn Mr. MacGregor dich verführt hat, dann muss …“
„Er hat mich nicht verführt.“
Annas Mutter blinzelte verwirrt. „Aber du sagtest doch …“
„Ich sagte, wir haben miteinander geschlafen. Er brauchte mich nicht zu verführen.“ Anna nahm den Arm ihrer Mutter. „Vielleicht sollten wir uns einen Moment hinsetzen.“
„Ja, vielleicht sollten wir das.“ Mrs. Whitfield ließ sich in den Salon führen.
„Daniel will mich heiraten“, berichtete Anna, als sie saßen.
Ihre Mutter seufzte vor Erleichterung. „Ja, mir war, als hätte ich das gehört, aber es klang, als würdet ihr euch streiten.“
„Das war kein Streit, sondern eine Meinungsverschiedenheit. Ich werde ihn nämlich nicht heiraten.“
„Anna!“ Streng sah sie ihre Tochter an. „Was soll der Unsinn? Ich gebe ja zu, ich verstehe dich nicht immer, aber ich kenne dich gut genug, um eins zu wissen. Wenn er dir nicht sehr viel bedeuten würde, wäre … wäre nichts passiert.“
„Er bedeutet mir viel. Vielleicht zu viel. Und das macht mir Angst. Er will eine Ehefrau, Mutter, fast so, wie ein Mann einen Schuh will, der perfekt passt.“
„Ich glaube Mr. MacGregor ist ein guter Mann.“
„Ja, das ist er. Ich will ihn nicht verlieren, aber ich kann ich nicht heiraten.“
„Anna …“
„Ich werde mit ihm zusammenleben.“
Mrs. Whitfield öffnete den Mund, schloss ihn wieder und schluckte. „Ich glaube, ich brauche einen Drink.“
Anna ging an den Barschrank. „Sherry?“
„Scotch. Einen doppelten.“
Lächelnd goss Anna den Drink ein. „So ähnlich hat Daniel auch reagiert.“ Sie brachte ihrer Mutter das Glas. Die leerte es in einem Zug.
„Daniel bedeutet mir sehr viel“, wiederholte Anna. „Ich habe mich in ihn verliebt. Aber wenn ich ihn heirate, verliere ich alles, wofür ich gearbeitet habe.“
Mrs. Whitfield stellte ihr leeres Glas ab. „Deinen Abschluss.“
„Ich weiß, das verstehst du auch nicht. Niemand scheint es zu verstehen.“ Sie fuhr sich durchs Haar. Es fiel ihr auf die Schultern und erinnerte sie daran, dass ihre Kämme noch irgendwo in dem hohen Gras über der Klippe liegen mussten. Die Kämme ließen sich ersetzen, andere Dinge, die sie dort oben verloren hatte, nicht. „Ich will Ärztin werden, aber ich will nicht ohne Daniel leben.“
„Und Daniel?“
„Er will heiraten. Weiter denkt er nicht. Aber das wird sich schon noch ändern.“
Ihre Mutter lächelte. „Ich muss zugeben, ich habe immer gehofft, dass du die Medizin vergessen und heiraten würdest. Ich wollte, dass du eine Familie gründest und glücklich wirst, aber andererseits habe ich dich auch bewundert.“
Anna nahm ihre Hand. „Du glaubst gar nicht, wie wichtig mir das ist.“
„Ich ahne es. Aber dein Vater …“ Mrs. Whitfield schloss die Augen.
„Er wird sich aufregen, ich weiß. Das tut mir Leid.“
„Ich werde schon mit ihm fertig.“ Mrs. Whitfield straffte die Schultern.
Anna hob den Kopf. Ihre Mutter und sie wechselten einen Blick. Zum ersten Mal von Frau zu Frau. „Ich liebe dich, Mutter.“
„Und ich liebe dich.“ Mrs. Whitfield zog ihre Tochter zu sich auf die Couch. „Und dazu muss ich dich nicht verstehen.“
Seufzend legte Anna den Kopf an ihre Schulter. „Wünschst du mir Glück?“
Sie lächelte. „Natürlich wünsche ich dir alles Glück der Welt.“
8. KAPITEL
Mit jedem Tag, der verging, wuchs in Anna die Angst, Daniel verloren zu haben. Es gab keine Anrufe mehr, keine zornigen Auftritte. Und auch keine weißen Rosen.
Nie verließ sie das Krankenhaus, ohne auf dem Parkplatz nach einem blauen Cabrio Ausschau zu halten. Jedes Mal, wenn sie ins Freie trat, rechnete sie damit, einen breitschult rigen, rotbärtigen Mann mit blitzenden Augen auf sie warten zu sehen. Er war nie da, aber sie hörte nicht auf, gespannt nach draußen zu schauen.
Heute war der Himmel grau, und es war so heiß, dass der Regen auf dem Asphalt zu verdampfen schien. Als sie ihren Wagen erreichte, war sie klitschnass und summte vor sich hin. Sie hatte eine Entscheidung getroffen. Sie würde nicht mehr untätig warten und leiden, sondern selbst etwas unternehmen. Als sie durch die Stadt fuhr, drehte sie das Radio auf. Die laute Musik passte zu ihrer Stimmung.
Das Gebäude der Old Line Savings and Loan sah würdevoll und Vertrauen erweckend aus. In der Schalterhalle holte Anna tief Luft, bevor sie auf einen Bankangestellten zuging.
In seinem Büro betrachtete Daniel die Anzeigen, die in der Woche darauf in den
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