Gaelen Foley - Knight 02
Gesicht, aber sie schaute ihn nicht an, sah im Vorüberfahren kalt durch ihn hindurch. Dieser Blick trieb ihm den Dolch nur noch tiefer ins Herz hi- nein. Er konnte einfach nicht fassen, dass sie ihn vor eine solche Wahl gestellt hatte, aber er wollte auch nicht glauben, dass er sie für immer verloren hatte.
Die Kutsche blieb im Hof noch einmal stehen, damit die Wachen das Tor öffneten. Er kniff die Augen zusammen, zog den Mantel enger um sich und kämpfte gegen den Impuls an, ihr nachzulaufen.
Ich hole sie zurück, wenn alles vorbei ist.
McLeish salutierte, als er auf seinem kastanienbraunen Wallach vorüberritt. Lucien nickte. Er hatte den zähen Schotten und zwei seiner verlässlichsten Wachen abgestellt, um Alice nach Glenwood Park zu geleiten und dort zu bewa- chen, bis die Sache mit Bardou auf die eine oder andere Wei- se ausgestanden war. Zwar hätte er sie lieber auf den weiter entfernten und festungsartig ausgebauten Landsitz seiner Familie geschickt, aber sie hatte sich rundheraus geweigert. Da er ihr gegenüber ein schlechtes Gewissen hegte, hatte er sich nicht durchsetzen wollen. Er ahnte, dass ihr jetzt nur noch ihr geliebtes Heim und ihr Neffe Harry Trost schenken konnten. Zugegeben, er neigte zur Paranoia, wahrscheinlich bestand keinerlei Anlass zur Sorge. Die einzigen Leute, die überhaupt wussten, dass sie bei ihm in Revell Court gewesen war, waren sie beide und Caro. Und Basingstoke, das ver- schlafene kleine Dorf in Hampshire, lag so weit ab vom Schuss, dass sie dort durchaus sicher war, vor allem, weil
McLeish sie begleitete.
Als das große schmiedeeiserne Tor scheppernd auf- schwang, ließ der Kutscher die Peitsche knallen, und der Landauer zog an. Lucien biss die Zähne zusammen und un- terdrückte mit Gewalt seine Gefühle, als die Kutsche sie da- vontrug.
Ich hole sie zurück, wenn alles vorbei ist, schwor er sich noch einmal, vorausgesetzt natürlich, ich überlebe die Sa- che. Letzte Nacht nach dem furchtbaren Streit hatte er gar nicht erst versucht, sich wieder mit ihr zu versöhnen, denn wenn er es nicht überlebte, wäre es besser für sie, wenn sie ihn hasste. Ihr Zorn würde sie die Nachricht von seinem Tod leichter verwinden lassen.
Er sah der Kutsche nach, als sie über die Brücke ratterte und dann den Hügel hinauffuhr. Selbst nachdem sie seinen Blicken entschwunden war, stand er noch immer in der trost- losen grauen Morgendämmerung, das Kinn gesenkt, die Hände in die Manteltaschen geschoben. Ein leises Zittern des Zorns überlief ihn. Er blickte auf, und seine Miene ver- finsterte sich. Es war an der Zeit, Bardou zu jagen und zu tö- ten.
Er war bereit. Das Tier in ihm erwachte und dürstete nach Rache.
Die warmen Lichter, die in den Fenstern ihres Zuhauses schimmerten, trieben Alice die Tränen in die Augen, als der Landauer abends die Auffahrt nach Glenwood Park entlang- rollte. Sie hatte einen trostlosen Tag verbracht, aus dem Fenster gestarrt und an Liebeskummer gelitten. Die einzige Abwechslung auf der öden Reise waren die paar Pausen ge- wesen, die sie an den Poststationen eingelegt hatten. Endlich war sie zu Hause angekommen. Sie konnte es gar nicht er- warten, Harry in die Arme zu schließen. Schon bei dem Ge- danken an seinen sauberen Geruch, seine kleine Gestalt in ihren Armen stiegen ihr erneut Tränen in die Augen. Wenigs- tens hatte sie nach allem, was geschehen war, noch ihr ge- liebtes Heim und die Menschen, die sie liebten – Harry, Peg, Nellie und die anderen. Für diesen schlichten Trost war sie nie dankbarer als jetzt gewesen.
Sie fragte sich, welche Lüge Caro ihnen wohl aufgetischt hatte, um ihre Abwesenheit zu erklären. Rasch wischte sie
sich die Tränen ab, als die Kutsche vor dem eleganten Her- renhaus zum Stehen kam. Sie hatte keine Ahnung, welche Begründung sie sich für McLeish und die beiden Wachen einfallen lassen sollte. Der Landauer stand kaum, als die Haustür auch schon aufflog und Peg herausgeeilt kam, ein paar Schritte hinter ihr Nellie und Mitchell. Als sie aus der Kutsche stieg, umarmten sie sie, begrüßten sie und machten großes Aufheben um sie.
„Ach, mein Kind, endlich sind Sie zu uns zurückgekehrt! Gott sei Dank, dass es Ihnen wieder gut geht! Ich habe mir solche Sorgen gemacht!“ Peg nahm Alice bei den Schultern und betrachtete im Schein der Wagenlaternen prüfend ihr Gesicht. „Sie sehen immer noch geschwächt aus. Konnten Sie schon etwas bei sich behalten?“
„Es gibt nichts Schlimmeres als schlechten Lachs
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