Gaelen Foley - Knight 02
bist schon verwundet. Wenn seine Geliebte dich schon so verletzen konnte, was wird er selbst dir dann noch alles antun? Warum schickst du nicht einen Boten ins Außenministerium und bittest deinen Vorgesetzten, wer es auch sein mag ...“
„Lord Castlereagh.“
„Bittest Lord Castlereagh darum, jemand anderen mit der Aufgabe zu betrauen, weil du schon verletzt bist und außer- dem heiraten möchtest? Bestimmt gibt es noch andere fähige Agenten, die sich um diesen Mann kümmern können. Und wir kommen doch noch nach Gretna.“
Er grinste. „Erstens ist Castlereagh in Wien, zweitens ha- be ich eben diesen Befehl und drittens …“, seine Miene ver- finsterte sich, „... ist das zwischen mir und Claude Bardou auch eine persönliche Sache.“
Ihr gefiel die Grausamkeit nicht, die sein Gesicht verhär- tete, wenn er jenen Namen erwähnte. Argwöhnisch musterte sie ihn und schüttelte den Kopf. „Irgendwie habe ich ein un- gutes Gefühl. Schau dich an. Überleg mal, was dir heute Nacht beinah widerfahren wäre. Lucien, als deine zukünfti- ge Frau weiß ich nicht, ob ich will, dass du das tust.“
„Ich muss es aber machen“, entgegnete er mit mordlustig blitzenden Augen. „Und ich will es auch.“
„Du willst es?“
„Ja“, murmelte er. „Ich möchte, dass dieser Mann stirbt.“
„Ach. Und wenn er stattdessen dich tötet? Was soll denn dann ich machen?“
Er starrte sie lange an und zuckte mit den Schultern. „Ich habe keine Ahnung.“
„Wie bitte?“ Vielleicht hatte sie erwartet, dass er ihre
Ängste beschwichtigte, ihr versicherte, es bestehe keinerlei Gefahr, dass er in Erfüllung seiner Pflicht getötet würde, aber er bot ihr keine tröstlichen Lügen.
Abrupt stand sie auf. Ihr schwirrte der Kopf, und ihr Ma- gen krampfte sich vor Angst zusammen. Sie rieb sich die Stirn und versuchte das Ganze erst einmal zu verarbeiten.
„Alice? Alles in Ordnung mit dir?“
„Natürlich nicht.“ Sie kämpfte gegen die wachsende Hys- terie an. „Du weißt, was ich durchgemacht habe. Ich habe meine Mutter verloren, meinen Vater, meinen Bruder – und nun erzählst du mir, es wäre durchaus möglich, dass ich auch noch dich verliere! Ich glaube nicht, dass ich das ertragen könnte.“
Müde erhob er sich und schaute sie an.
Ihre Augen hatten sich mit Tränen gefüllt. „Liebst du mich denn nicht?“
„Natürlich tue ich das. Ich liebe England, und ich liebe dich.“
„Aber dein Hass auf ihn ist stärker.“
Er schwieg.
Sie schluckte. „Liebe oder Hass, Lucien? Du kannst nicht beides haben. Entscheide dich.“
„Alice, nun sei doch nicht so starrköpfig ...“
„Entscheide dich!“ schrie sie ihn an. Sie zitterte am gan- zen Körper. „Vor einer Woche hast du mich dazu gezwungen zu entscheiden, ob Caro oder ich heim zu Harry fahren. Jetzt bist du an der Reihe. Er oder ich?“
„Keine Ultimaten mehr, Alice. Wir haben uns geliebt. Viel- leicht trägst du schon mein Kind unter dem Herzen ...“
„Bei mir läuft alles genau nach Plan, Lucien. Ich habe be- reits meine Regel. Und jetzt entscheide dich!“
„Tu mir das nicht an“, flüsterte er.
„Ich will nicht wieder trauern müssen. Ich möchte nicht wieder all meine Kleider schwarz färben und zusehen, wie ein weiterer Sarg in die Erde hinabgesenkt wird. Ich kann einfach nicht, Lucien.“
Er stöhnte verzweifelt auf. „Wenn ich Bardou nicht töte, wird er uns niemals in Frieden lassen. Du hast keine Ah- nung, wozu dieser Mann fähig ist. Man muss ihn aufhalten, und ich bin derjenige, der das kann!“ Sein Zorn lud die At- mosphäre zwischen ihnen wie bei einem Gewitter auf. „Wir
sind Todfeinde. Verstehst du? Wenn ich ihm nicht nachjage, wird er mich hetzen, wenn er seinen Anschlag auf England durchgeführt hat. Bardou ist ebenso versessen auf mein Blut wie ich auf das seine!“
„O Gott!“ rief sie aus. „Dann musst du eben nach Hawks- cliffe Hall mitkommen!“
„Ich soll mich vor ihm verstecken? Nie im Leben!“
Sie zuckte zusammen. „Du hast deine Wahl also getrof- fen.“
„Genau. Ich entscheide mich für die Rache!“ bekräftigte er trotzig.
„Dann fasse ich den Entschluss, dass ich dich nie Wieder- sehen will“, stieß sie hervor und rannte aus dem Zimmer, blind vor Tränen.
13. KAPITEL
Der Morgen graute. Kein Laut war zu hören. Lucien beob- achtete, wie sein Landauer sich anschickte, Revell Court zu verlassen. Alice saß darin, in ihren Umhang gehüllt. Er be- trachtete ihr bleiches, verstörtes
Weitere Kostenlose Bücher