Gaelen Foley - Knight 02
gehen,
nicht in die Boxhalle eines Junggesellen!
Der Lakai betrachtete sie mitfühlend. „Er hat befohlen, dass Ihnen Ihr Frühstück dort serviert wird.“
Warf er ihr also schon wieder den Fehdehandschuh hin, zwang sie wieder einmal zu skandalösem Tun – das sie ins- geheim vielleicht ja auch wollte und nur nicht wagte? Sie ge- stand sich ein, dass sie durchaus neugierig war auf diese Welt, die eine junge Dame normalerweise nicht zu sehen be- kam, und folgte dem Lakaien ohne weitere Bemerkung. Er führte sie über den Hof und einen Weg entlang, der um das Haus verlief. Die Gärtner waren fleißig bei der Arbeit, stutz- ten die Formschnitthecken und schnitten den Efeu zurück, der sich an den roten Backsteinwänden emporrankte. Sie tippten sich grüßend an die Mützen, als sie an ihnen vorbei- kam. Weiter hinten entdeckte sie Pferdeweiden, Luzernefel- der und Wiesen voller Heumieten. Jenseits der Wiesen be- gann der Wald, der im bunten Herbstkleid leuchtete.
Erdiger Stallgeruch wehte zu ihr herüber, als sie sich den großen Stallungen näherten, die aus demselben roten Back- steinwerk errichtet waren wie das Haus. Auf dem Dach des Hauptstalls thronte eine elegante kleine Kuppel, und durch das offene Tor konnte man ein paar von Luciens kostbaren Pferden den Kopf aus den Boxen strecken sehen. Anschei- nend waren sie neugierig, was sich in der Welt so alles zu- trug.
Als sie an eine Koppel kamen, blieb sie stehen, um den schwarzen Hengst zu bewundern, der dort von einem Bur- schen an der Longe geführt wurde. Sie nahm das Spiel der Muskeln unter dem samtenen Fell wahr, während das edle Tier förmlich dahinflog. Widerstrebend löste sie sich von dem großartigen Schauspiel und folgte dem Lakaien zu ei- nem weiteren Nebengebäude mit hohen Fenstern. Schon be- vor der Lakai die Tür öffnete, hörte Alice das Klirren der De- gen.
Eine männliche Stimme mit fremdem Akzent stieß in re- gelmäßigen Abständen scharfe Rufe aus. Der Lakai hielt ihr die Tür auf. Alice zögerte, doch als sie um die Ecke lugte, fiel ihr Blick auf einen mit Gebäck und silbernem Teeservice be- ladenen Tisch. Aha – der Köder. Ihr Gefühl für Sitte und An- stand sträubte sich zwar, doch sie war entschlossen, ihre Furchtsamkeit, die Leute wie Caro mit makelloser Tugend
verwechselten, zu überwinden. Lucien war der Erste gewe- sen, der sie durchschaut hatte. Alice wappnete sich und be- trat die Sporthalle, wobei sie so lässig zu wirken versuchte, als ginge sie in einen Putzmacherladen.
Der dunkelhäutige Fechtmeister und die fünf verwegenen Burschen, die mit Lucien fochten, schenkten ihr kaum einen Blick, als hätte man ihren Besuch vorher angekündigt und die jungen Männer angewiesen, sie zu ignorieren. Auch Lu- cien ließ sich nicht stören. Sie erhaschte einen Blick auf sein Gesicht und sah, dass die silbergrauen Augen glitzerten wie Diamanten, während die Morgensonne auf seinem Degen funkelte.
Alice umrundete die Halle vorsichtig an der Wand entlang, bis sie den Tisch mit ihrem Frühstück erreicht hatte. Ein Be- diensteter schob einen Stuhl für sie zurecht, während Alice sich eine Tasse Tee eingoss. Sie bemühte sich nach Kräften, kühl und gelassen zu wirken. Wenn sie ihre Gesichtsfarbe nur ebenso unter Kontrolle gehabt hätte! Sie löffelte etwas Zucker in den Tee, hob die Tasse und wandte sich mit einer Miene höflichen Interesses zu den Gentlemen um, doch bei Luciens Anblick bekam sie weiche Knie und sank auf den Stuhl.
Wenn er schon beim Training so wild ist, will ich ihm nie bei einem richtigen Gefecht zuschauen, dachte sie, während das Klirren der Klingen durch den Raum hallte. Der spani- sche Fechtmeister stand an der Seite und erteilte Anweisun- gen und Befehle. Luciens eckiges Gesicht war angespannt, während er elegant und kraftvoll die verschiedenen Positio- nen durchexerzierte. Die fünf jungen Männer, die mit ihm trainierten, standen in regelmäßigen Abständen im äußeren Kreis. Lucien drängte jeden von ihnen in die Defensive, wir- belte wie der Blitz zwischen seinen Gegnern herum und schien nie einem den Rücken zuzukehren.
Seine schwarzen Breeches schmiegten sich an seine mus- kulösen Schenkel. Über seinem weißen Hemd trug er eine schützende Lederweste, die seine kräftigen Schultern und die schmale Taille betonte.
Lucien grüßte seine Gegner lässig und gab schwer atmend seine Waffe ab. Der Fechtmeister gratulierte ihm zu seiner hervorragenden Darbietung. Alice wartete voll Anspannung,
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