Gaelen Foley - Knight 05 - Rache im Blut
untersetzter Gestalt mit ha- selnussbraunen Augen, dichtem braunen Haar und einem vierschrötigen Gesicht mit einer Kerbe im Kinn.
Ohne auf Carstairs und Staines zu warten, die ihm dicht auf den Fersen waren, betrat Quint das „Golden Bull“. Der Anblick der Postkutsche, die im Hof stand, hatte ihm alles gesagt, was er wissen musste: Ginny musste irgendwo hier drinnen sein. Er wusste, dass sie mit der Holyhead-Postkut- sche geflohen war, um dann das Packschiff nach Irland zu nehmen, aber Quint hatte nicht die Absicht, es dazu kommen zu lassen.
Sie gehörte ihm.
Er stampfte durch die Halle und warf einen Blick in den Schankraum, um zu sehen, ob sie da war, dann trat er an den Tresen und riss dem Wirt das Gästebuch aus der Hand.
„Kann ich Ihnen helfen, Sir?“
Quint knurrte nur und überflog die Namen, bis er den fand, der ihm bekannt vorkam. Mary Harris. Ginny hatte ihm ein- mal ihren wahren Namen gesagt. Er staunte selbst, dass er sich daran erinnerte, denn normalerweise dachte er nicht über ihre gewöhnliche Herkunft nach. Er zog ihren Bühnen- namen vor – Ginny Highgate. Die glamouröse Schauspiele- rin, hinter der alle her waren, aber die er durch pure Beharr- lichkeit für sich gewonnen hatte.
Seine Mätresse, seine Schönheit, seine Trophäe.
Ohne dem Wirt oder sonst jemandem eine Erklärung abzu- geben, machte der stämmige Baron aus Yorkshire sich auf die Suche nach seiner Beute und rief ab und zu ihren Namen.
„Ginny!“
„Dieser verdammte Narr, hat er noch nie etwas von Diskre- tion gehört?“, murmelte Carstairs und warf seinem Gefähr- ten Staines einen resignierten Blick zu, als er zwei Minuten später hinter dem hitzköpfigen Quint in das „Golden Bull“ trat.
Julian, Earl Carstairs, war hellblond, hochelegant und ma- kellos gekleidet, und in seinem fein geschnittenen Gesicht fie- len vor allem die eisblauen Augen auf. Sir Torquil „Blood“ Staines – was soviel wie Blutflecken hieß – war wegen seiner
tödlichen Treff Sicherheit im Duell berüchtigt und hatte durch- dringende dunkle Augen und einen satanisch wirkenden Bart.
„Lass uns mal sehen, ob wir nicht besser auf die ruhige Art ans Ziel kommen, ja?“, schlug Carstairs vor.
Staines nickte, und dann teilten sie sich auf, um Quint da- bei zu helfen, die kleine irische Hure zu finden, die es gewagt hatte, Johnny auf eigene Faust vor ihm zu retten. Nun, dachte Carstairs höhnisch, den Jungen würde er im Handumdrehen wiederhaben, ehe jemand etwas davon erfuhr.
Im oberen Stockwerk riss Quint auf der Suche nach seiner entlaufenen Geliebten die Türen zu den Gästezimmern auf, ohne sich darum zu kümmern, wen er dabei störte. Es gab wü- tende Ausrufe und empörtes Kreischen, aber angesichts sei- ner einschüchternden Größe und seines gemeinen Gesichts hielten sich die meisten Gäste mit Kritik zurück.
Quint graste auf diese Weise den ganzen Flur ab, bis er an eine Tür kam, die abgeschlossen war. Fest umfasste er den Türknauf und legte sein Ohr an das Holz. „Ginny?“
Keine Antwort. Er schloss die Augen und versuchte, sie durch die Tür zu spüren, zu erfühlen, denn er glaubte, dass sie beide ein enges Band verband. Himmel, er roch ihr Par- fum.
„Ginny!“ Er rüttelte an der Tür und hörte ein leises, ängstli- ches Aufschluchzen aus dem Zimmer. „Komm schon, Ginny! Jetzt! Wir fahren nach Hause! Verdammt, du weißt genau, dass ich dich liebe!“ Mit drei heftigen Tritten trat er die Tür ein, und seine eleganten schwarzen Stiefel ließen das Holz splittern, als die Tür aus den Angeln brach. Ungeduldig warf Quint die Tür beiseite und stand schon heftig atmend im Zim- mer.
„Ginny!“ Er zwang sich zur Geduld.
Sie kauerte mit Carstairs’ kleinem Diener, der sich an sie klammerte, in einer Ecke.
Quint sah, dass ihr Auge blau angelaufen war, aber er dach- te gar nicht daran, sich deshalb schuldig zu fühlen. Himmel, das hatte sie selber so gewollt.
„Nun komm“, sagte er und streckte ihr die Hand hin. „Du kommst jetzt mit mir.“
„Nein“, stieß sie hervor.
„Lass sie in Ruhe!“ Der kleine Johnny trat vor sie und stellte
sich mutig dem Riesen entgegen.
Quint fluchte leise und schlug dem Jungen ins Gesicht, der mit einem Aufschrei zu Boden ging.
„Was in aller Welt geht da drüben vor?“, rief Lady Strath- more im Zimmer nebenan und drehte sich mit in die Seiten gestemmten Händen zu ihrem Mann um.
Stephen musterte mit zusammengekniffenen Augen die Wand und lauschte. „Ich glaube, ich
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